Es rechnet sich nicht
Wer Liebe investiert, darf keine handfeste Rendite erwarten
Sorgfältige Kalkulationen über Kosten und Nutzen, genaue Analyse der Absatzmärkte und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und der Entwicklung für die kommenden Jahre -sie sind das A und O der Marktwirtschaft. Wir haben uns an diese "Gesetze" und Sachzwänge gewöhnt und übertragen sie auch auf Bereiche, die über wirtschaftliche Fakten hinausgehen: Erziehung, Familie, Kultus und Kultur, Gesundheitspflege und -fürsorge und andere.
Das ist zum Teil sicherlich notwendig und berechtigt. "Es muss sich doch rechnen, gilt als wichtiges Argument. Der "Mehrwert" in diesen Lebensbereichen aber lässt sich nicht aufrechnen. Mit anderen Worten, wo Leben gelingen soll, muss mehr gegeben als (ein-)genommen werden. Das fängt schon in der Familie an. Wollten Eltern nur fragen: "Was haben wir denn von einem Kind oder einem weiteren Kind?" dann müssen sie feststellen: Es rechnet sich nicht, Kinder sind eine wirtschaftliche Belastung. Wir können -jedenfalls auf kurze Sicht -ein bequemeres und sorgenfreieres Leben ohne Nachwuchs führen. Auch in anderen Bereichen des persönlichen Lebens "rechnet" sich vieles, ja das Wichtigste nicht: Wer einen anderen Menschen wirklich liebt, der gibt sich hin ohne Berechnung. Und umgekehrt erfährt er sich als Geliebter als ein tief Beschenkter. Wer könnte zum Beispiel aufrechnen, was die jahrelange Fürsorge für einen unheilbar Kranken in der Familie bedeutet? Wer Liebe investiert, darf nicht mit handfester Rendite rechnen. Liebe hat ihren Lohn in sich selbst, sie "sucht nicht ihren Vorteil" (1 Kor 13). (Das sind natürlich keine Argumente gegen eine stärkere finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern oder eine bessere Pflegeversicherung).
Wer die Frage "Was hab ich denn davon?" als Leitmotiv nimmt, kann kein volles Leben leben. Er verkürzt sein Denken und Handeln auf die enge Seite des Nutzens. Albrecht Goes fordert in einem Gedicht den Leser auf den Rechenstift beiseite zu legen: "Nehmen, Geben. Wer zu rechnen liebt, / Der wird nie auf seine Rechnung kommen. / Leben lehrt: Wer seinen Finger gibt, / Dem wird gleich die ganze Hand genommen. // Gabst du? Wohl, du gabst. Nun warte nicht, / Dass die Jahre dir die Schuld begleichen. / Wags, ob auch die Klugheit widerspricht, / Soll und Haben kühnlich auszustreichen. // Dieses nur. Dann leg den Stift beiseit, / Armut wird dich unversehns versöhnen, / Ja, sie selbst, die karge Endlichkeit, / Will dich ans Unendliche gewöhnen."
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 14.11.2002