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Aus der Region

Den Sonntag wieder besser schützen

Stephan Rether (Katholisches Büro Sachsen-Anhalt) zur Ladenöffnung


Frage:
Herr Rether, Sachsen- Anhalt will eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Ladenschlussgesetzes starten. Geschäfte sollen an den Werktagen einschließlich Samstag rund um die Uhr öffnen dürfen. Wie sagt die Kirche dazu?


Rether:
Ich bin zuversichtlich, dass in diesem Zusammenhang die Sonn- und Feiertage nicht weiter beschädigt, vielleicht sogar besser geschützt werden. Wenn eine Neuregelung die Ladenöffnung an Werktagen freigibt, muss ein starker Schutz der Sonn- und Feiertagen als Gegengewicht vorhanden sein. Die Zeit, die Erwerb und Umsatz dient, muss sich deutlich vom Sonntag als Zeit der so genannten seelischen Erhebung unterscheiden. Unsere Position als Kirche kann nicht kategorisch "Hände weg vom Ladenschluss!" sein, denn wir vertreten keine Einzelinteressen, wie Gewerkschaften oder Handelskammern. Zur Kirche gehören Arbeitnehmer und Unternehmer, Familien und allein Lebende. Allerdings gibt es Punkte, über die wir nicht verhandeln. Dazu gehört der Sonn- und Feiertagsschutz. Hier fordern wir von den Verantwortlichen zu prüfen, ob nicht die jetzigen Ausnahmeregelungen zurückgebaut werden können, denn wir sind überzeugt, dass das für die ganze Gesellschaft vorteilhaft ist.


Frage:
Gegen die Freigabe der Öffnungszeiten an Werktagen hat die Kirche keine Einwände?


Rether:
In der Sonntagsschutzdebatte sprechen wir immer wieder von der Rhythmik der Woche mit dem Sonntag als Pause zum Luftholen. Das gilt übertragen für jeden Tag: Auch der einzelne Tag braucht eine Pause -den Feierabend. Sonst wird der Mensch zum bloßen Instrument kommerzieller Interessen. Außerdem weisen wir auf die Situation der Familien hin. Können die Geschäfte an Werktagen rund um die Uhr öffnen, dann sind es Mütter, Väter, allein Erziehende, die um 23 Uhr und vielleicht noch später im Laden stehen. Wie passt das mit Familie zusammen? Was wird aus den Kindern, wenn sie ihre Eltern den ganzen Tag nicht sehen, wenn ich sie nicht bis zum Feierabend zur Oma bringen kann? Gibt es ein verlässliches außerfamiliäres Betreuungsangebot? Auch diesen Fragen muss sich Politik stellen. Schließlich werbe ich dringend darum, den Samstag nicht wie die anderen Werktage zu behandeln. In der katholischen Kirche gibt es die Vorabendmesse. Wer am Sonntag keinen Gottesdienst besuchen kann, weil er beispielsweise dann im Bereich der notwendigen Grundversorgung arbeitet, kann so trotzdem das Sonntagsgebot erfüllen. Mit dieser Regelung trägt die Kirche schon einer gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung. Das muss von der Politik berücksichtigt werden.


Frage:
Die Sonntagsöffnung ist gerade im Advent wieder ein Thema: Der Erlebniseinkauf für die Familie als Hilfe zur Sonntagsgestaltung. Wird die Kirche mit ihrem Eintreten für den Sonntag überhaupt verstanden?


Rether:
Der Sonntag als Tag der seelischen Erhebung wird ja zunehmend nicht mehr verstanden. Der Einzelne erfährt heute Freude oft nur, wenn damit wirtschaftlicher Umsatz verbunden ist. Ich kaufe mir Freude, heißt das Motto. Sich gegen die Engführung menschlichen Lebens auf Umsatztätigkeit zu wenden, ist eine der Herausforderungen für die Kirche. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.


Frage:
Politische Forderungen sind das eine. Was kann die Kirche aber tun, damit der Sonntag für die vielen Menschen, für die er nicht der Tag des Herrn ist, wenigstens wieder zum Tag der seelischen Erhebung wird?


Rether:
Den eigentlichen wahren Wert des Sonntags bewusstmachen -dies ist die Herausforderung, vor der wir stehen. So ist ein zentrales Anliegen des Pastoralen Zukunftsgesprächs (PZG) die Suche nach dem Selbstverständnis unserer Kirche in dieser Gesellschaft und in dieser Zeit. Unsere Kirche ist Missionskirche. Der Verkündigungsauftrag muss aber auf zeitgemäße Art und Weise erfüllt werden. Und um es in der Sprache unserer Zeit zu sagen: Wir haben als Kirche das Produkt, das dem Menschen am meisten dient. Wir müssen lernen, es ihm anzubieten, ohne ihn zu nötigen oder zu überreden -sein Interesse dafür wecken, ihn einladen. Auch mit neuen, niedrigschwelligen Angeboten und neuen Formen der Öffnung kirchlicher Räume. Das hat auch etwas mit dem Sonntag zu tun. Dann wird Sonntag als Tag des Herrn und Tag der seelischen Erhebung erst so richtig verstanden. Dazu gehört Glaube, Kraft und auch Mut. Dies wünsche ich der Politik, der Gesellschaft und uns allen.

Fragen: M. Holluba

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 13.12.2002

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