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Auf zwei Minuten

Von der Ichbezogenheit zur Gottbezogenheit

von Pater Damian

Pater Damian Meyer Die Sehnsucht nach Glück sitzt tief in jedem Menschen. Es ist die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies oder nach dem noch zu erreichenden Paradies, dem "Himmel". Geborgenheit und Sicherheit ohne Lebensangst, ohne Todesangst, ohne Verlustangst- so könnte man den Inhalt des Glücks allgemein beschreiben. Glück kann nur erfahren, wer sich selbst ohne Angst loslassen kann, wer sich in Vertrauen und Liebe zu einem "Du" wenden kann und wer sich lieben lassen kann. Narziss, die Figur aus der griechischen Mythologie kann letztlich nicht glücklich werden und scheitert: Narziss, ein junger Mann, sah sein Spiegelbild im Wasser. Er fand es so schön, dass er sich leidenschaftlich in es verliebte. Er kümmerte sich fortan um keinen anderen Menschen mehr und fand keinen reizenderen Gegenstand für seine Liebe als sich allein. Eines Tages wollte er sein Spiegelbild umarmen: Dabei fiel er ins Wasser und ertrank.
Der übertrieben ichbezogene Mensch ist immer in Sorge, dass er zu kurz kommt. In seinem Denken und Fühlen ist er gefangen von seinen Wünschen und Bedürfnissen. Die Bibel und die christliche Tradition ordnen die Ichbezogenheit in drei Bereiche ein: die Habsucht, die Machtsucht und die Ehrsucht. In der heutigen Konsumgesellschaft erfahren wir alle, wie sehr unsere Ichbezogenheit uns antreibt, mehr und mehr Dinge zu besitzen. "Wer reich werden will, ...verfällt vielen sinnlosen und schädlichen Begierden, die den Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht" (1 Tim 6,10). Die Machtsucht besteht in dem Drang, anderen seinen Eigenwillen aufzuzwingen. Es fehlt dem Machtsüchtigen an Ehrfurcht vor der Person des anderen. Der Ehrsüchtige sucht in übertriebener Weise nach Anerkennung, Bestätigung, Prestige und Lob. In diesen drei Grundsüchten des Menschen erscheinen die anderen als Gegenstände, die zu gebrauchen sind. Erst wenn eine Person als Person, als Du, erkannt und innerlich anerkannt wird, verwandelt sich die Habsucht in Geben, Schenken, Teilen. Aus Machtsucht wird Dienen. Aus Ehrsucht Ehrfurcht. Die Du-Bezogenheit spiegelt sich dann in der Hinwendung zu Gott wider. Im Vaterunser, das uns Jesus gelehrt hat, beten wir gegen unsere Ichbezogenheit an und übergeben uns Gott. Jesus lässt uns habsüchtige Menschen sagen: "Dein Reich komme". "Nicht mein Reich, sondern dein Reich entfalte sich unter uns." Er lehrt uns machtsüchtige Menschen beten: "Nicht mein, sondern dein Wille geschehe." Und die Absage an unsere Ehrsucht besteht in der Bitte: "Nicht mein Name, sondern dein Name werde geheiligt." Am Schluss wiederholen wir dann noch die drei Bereiche der Gottbezogenheit: "Denn dein ist das Reich (Besitz) und die Kraft (Macht) und die Herrlichkeit (Ehre)."

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 3 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.01.2001

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