Wer sich ganz einbringt, erfährt Sinn
Theodor Stolpe über seinen Dienst als Generalvikar und Seelsorger
Generalvikar Theodor Stolpe geht zum Ende des Jahres in Pension. Am 11. Dezember wurde er nun in einem Gottesdienst und bei einem Empfang offiziell als Generalvikar verabschiedet. Der TAG DES HERRN nahm dies zum Anlass, mit ihm über seinen Dienst als Stellvertreter und "rechte Hand" des Bischofs, aber auch seine Zeit als Seelsorger zu sprechen.
Frage: Herr Generalvikar, mit 70 Jahren geben Sie Ihre verantwortliche Position in jüngere Hände. Fällt Ihnen das Ausscheiden schwer oder sind Sie eigentlich ganz froh darüber?
Stolpe: Ich habe diese Aufgabe weder angestrebt noch je gedacht, dass sie einmal auf mich zukommt. Ich bin, so gut ich es kann, Seelsorger. Ich feiere jeden Sonntag mit einer Gemeinde die Eucharistie, gehe auf Anfrage zu thematischen Abenden in Gemeinden ...Ich hoffe, das auch weiterhin noch tun zu können.
Frage: Sie waren nicht so gern Generalvikar?
Stolpe: Ich bin nicht unglücklich dabei geworden. Aber es ist schon mit viel Ärger verbunden. Ich wünsche die Aufgabe nicht einmal meinem größten Widersacher. Hinzu kommt: Als Priester ohne Gemeinde zu leben, das ist so, wie wenn ein Fisch im Trockenen leben soll. Ich bin kein Verwaltungsmensch und habe versucht, die Verwaltung auf das Notwendigste zu beschränken.
Frage: Sie gehen in Rente, bevor in einem Jahr voraussichtlich auch Bischof Leo Nowak den Papst um Pensionierung ersuchen wird?
Stolpe: Ich gehe jetzt auf meinen eigenen Wunsch in Pension. Ich möchte, dass sich mein Nachfolger noch unter Bischof Leo einarbeiten kann, damit der Nachfolger des Bischofs und sein Generalvikar nicht beim Nullpunkt anfangen müssen, wie es Bischof Leo und mir 1990 erging. Zudem haben wir im Bistum für die Priester die Altersgrenze von 70 Jahren. Ich möchte da keine Ausnahme machen.
Frage: Was hat Ihnen bei Ihrem Dienst vielleicht doch auch Freude gemacht?
Stolpe: Das ist für mich nicht eine Frage nach konkreten Dinge, sondern Sache der Grundeinstellung: Ich bin gerne froh. Und zu einem sinnerfüllten, frohen Leben gibt es nur einen Weg: Sich einzusetzen. Sein Leben zu verbrauchen im Blick auf Zeit, Kraft, eigenen Willen -das führt zu einem sinnerfüllten Leben. Was man dann konkret macht, spielt nicht so eine große Rolle.
"Es geht nicht ohne ein Minimum an Verwaltung"
Frage: Haben Sie angesichts ihrer Verantwortung in der Verwaltung des Bistums manchmal gedacht: Wie gut wäre es, wenn Seelsorge und Caritas nur unmittelbar bei den Menschen passieren würde und der ganze Apparat gar nicht nötig wäre?
Stolpe: Denken kann man das. Aber es ist illusorisch. In der Gesellschaft der Bundesrepublik geht es nicht ohne wenigstens ein Minimum an Verwaltung, von der Gesetzgebung her, von den Konkordaten. Und die Verwaltung ist auch nötig, damit es einigermaßen gerecht zugeht. Im Übrigen sind in allen Bereichen menschlichen Zusammenlebens gewisse Strukturen und Verantwortlichkeiten nötig.
Frage: Gestatten Sie mir die vielleicht ein wenig banale Frage: Was macht ein Generalvikar eigentlich so?
Stolpe: Der Generalvikar ist Mann für alles. Er ist der Vertreter des Bischofs in den Außenbereichen der Kirche, in den Gemeinden, im Seelsorgeamt, in Caritas, Personalabteilung, Finanz- und Allgemeiner Verwaltung, in der Bau- und der Schulabteilung. Er ist für den gesamten äußeren Ablauf und dessen finanzielle Sicherung zuständig. Der Generalvikar kann vieles delegieren -das ist auch bei uns so -aber im Letzten hält er im Hintergrund für alles den Kopf hin.
Frage: Ist es schwer, die Berufung als Seelsorger gegen die Aufgabe eines Managers einzutauschen?
Stolpe: Ich sehe mich nicht als Manager, obwohl man in meinem Dienst schon einige und entscheidende Weichen stellen muss. Ich denke, dass ich den Mitarbeitern bei der Ausübung ihres Dienstes soweit wie möglich Freiheit gelassen habe, damit sich Fähigkeiten entfalten können. Und weil ich ihnen gegenüber Hochachtung empfinde.
Frage: Was waren zentrale Entscheidungen während Ihres Dienstes?
Stolpe: Eine grundsätzliche Entscheidung haben wir zum Beispiel im Blick auf unsere Schulen und deren Absicherung für die Zukunft treffen müssen. Weitere wichtige Entscheidungen waren etwa die Gründung der Gero-AG (ehemals Siedlungswerk), Fragen einiger Kirchbauten, der Beschluss, kinderreiche Familien beim Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen. Über allem stand und steht die Frage nach der finanziellen Absicherung der Seelsorge im Bistum. Das kann einem schon schlaflose Nächte bereiten. In nächster Zeit sind allein 2,5 Millionen Euro zur Absicherung der Pensionen für die Seelsorger erforderlich. Da war es auch nötig, zum Beispiel Immobilien zu erwerben, um aus den zu erzielenden Einnahmen Geld für die vielen Aufgaben zur Verfügung zu haben.
Für die Seelsorge ist eine Menge Geld nötig
Frage: Wie haben Sie es erlebt, Generalvikar eines Bistums zu sein, dessen Finanzen zu zwei Dritteln aus westdeutschen Diözesen kommen?
Stolpe: So manches Mal beschämend. Von der Situation des Auftrages her, der die Solidarität der anderen erfordert, erträglich. Und immer wieder daran erinnert, Möglichkeiten zu suchen, unsere finanzielle Lage durch eigene Aktivitäten zu verbessern. Die Situation bleibt angespannt: Jede Verringerung der Lohn- und der Gewerbesteuern schmälert die Einnahmen der Kirche. Und dies zeichnet sich ab, wenn die Lohnnebenkosten gesenkt werden sollen, um Arbeit billiger zu machen. Möglicherweise werden wir mit einschneidenden Sparmaßnahmen rechnen müssen, denn Summen von sagen wir zum Beispiel zwei Millionen Euro -das sind in etwa 60 Arbeitsplätze für ein Jahr -lassen sich nicht durch Sachkosteneinsparungen auffangen.
Frage: Sie sind viele Jahre Pfarrer gewesen. Ist in der Verkündigung der letzten Jahrzehnte etwas schief gelaufen, da die Gemeinden immer kleiner werden? Waren die Impulse des Konzils falsch?
Stolpe: Ich habe keine letzte Antwort darauf. Am Konzil liegt es auf keinen Fall, vielleicht wurde es ganz im Gegenteil nicht weit genug umgesetzt. Es ist allerdings zu überlegen, ob wir vielleicht Gott haben zu wenig zum Zuge kommen lassen, ob wir vielleicht oft zuviel Eigenaktivität entwickelt haben ohne notwendige geistliche Rückbindung. Es kommt darauf an, sich ganz einzubringen an seinem Platz und sich so auf Christus einzulassen, ihm ähnlich zu werden. Damit werde ich nicht in meinem Menschsein beschnitten, sondern kann es entfalten. Lebensqualität kann ich nur erreichen, wenn ich versuche, mich in der Situation, in die ich gestellt bin, ganz zu verbrauchen. Neuer Aufbruch zu intensiverem Glauben kann nur über diesen Weg des eigenen Lebens in Christus erwachsen.
Frage: Es gibt nur wenige, die sich für einen geistlichen Beruf entscheiden. Was sagen Sie jemandem, der sich darauf vorbereitet?
Stolpe: Der Dienst in der Seelsorge kann einen ganz und gar ausfüllen. Ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen, auch wenn ich dabei die unterschiedlichsten Aufgaben wahrnehmen müsste, selbst die des Generalvikars.
Frage: Welche Pläne haben Sie nach Ihrem Ausscheiden als Generalvikar?
Stolpe: Ich hoffe, dass ich auch weiterhin als Seelsorger gebraucht werde. Zudem möchte ich im Hinblick auf die Osthilfe tätig sein. Wir haben gerade dafür die Stiftung Adalbert ins Leben gerufen. Und auch in anderen Gremien habe ich noch Aufgaben. Sollte es dem Bistum möglich werden, in der Nähe von St. Sebastian noch Voraussetzungen für ein kleines Diözesan- Museum sowie Räume der Citypastoral zu schaffen, so würde ich mich gern mit anderen dem Anliegen der Passantenseelsorge widmen.
Interview: Eckhard Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 13.12.2002