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Aus der Region

(M)ein offenes Pfarrhaus

Gastbeitrag von Pfarrer Jörg Bahrke

Pfarrer Jörg Bahrke ist Beauftragter für kirchliche Berufe im Bistum Magdeburg. Zum zweiten Mal hat er in diesem Jahr am Weltgebetstag für geistliche Berufe sein Pfarrhaus geöffnet für junge Menschen auf der Suche nach ihrem Weg.

Ein farbiger Fingerabdruck auf einem Stück Papier, unverwechselbar. "Ich bin einmalig", steht darauf. Und auf der Rückseite: "Weil du mir wertvoll bist." Jeder hat ihn vor sich liegen. Und hinter jedem Abdruck steht eine eigene Lebens- und Glaubensgeschichte. Schon zum zweiten Mal treffen sich junge Erwachsene zu einem Wochenende im Pfarrhaus von Görzig. Sie fragen sich, was Gott von ihnen will, wo ihr Platz in der Kirche ist.

Was Gott zu seinem Volk sagt, darf jeder auf sich beziehen: "Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe" (Jes 43,4). Unter diesem Motto wurde die Einladung in den Gemeinden des Bistums Magdeburg verteilt. Sechs junge Männer meldeten sich an; vier konnten kommen. Vier mit ganz unterschiedlichen Lebenswegen und Fragen: Ein Familienvater überlegt, ob das Ständige Diakonat ein Weg für ihn sei. Ein Azubi für Vermessungstechnik trägt sich mit dem Gedanken, Gemeindereferent zu werden. Ein Krankenpfleger möchte sich als Priesteramtskandidat bewerben. Ein Theologiestudent im zweiten Semester erzählt von seinen Fragen und seinem Weg. Ich habe ihnen mein Pfarrhaus geöffnet und wir leben zwei Tage zusammen. Vielleicht ist es gerade diese Mischung, die uns reich beschenkt, vielleicht auch die Begegnungen während meines Wochenendprogrammes als Pfarrer, an dem alle teilnehmen.

Der Fingerabdruck begleitet uns dabei. Wir sind einmalig und von Gott geliebt, wie jene, denen wir begegnen. Nach dem gemeinsamen Morgenlob am Samstag sind wir bei der Katechese der zehn Erstkommunionkinder dabei. Die Kinder stellen dar, wie wir Leute empfangen, die an unserer Tür klingeln. Wir können sie freundlich hereinbitten oder sie kurz abfertigen, oder gar nicht erst die Tür öffnen. So könnte es uns auch mit Jesus gehen. Er klingelt an unsere Tür, er ruft uns, er bittet um Einlass, er will in unser Leben treten, unverwechselbar. Ist dies nicht der Anfang eines Weges mit Gott?

Am Nachmittag feiern wir die heilige Messe auf einem 20 Kilometer entfernten Dorf. Hier muss der Diasporasonntag nicht erklärt werden. Nur wenige Gläubige finden sich ein. Doch der Raum ist mit wundervollen Blumengestecken geschmückt. Brennende Kerzen empfangen uns. Und die Treue und Liebe in der kleinen Gemeinde ist mit Händen zu greifen.

Die Mönche der Christusbruderschaft auf dem Petersberg begrüßen uns freundlich zum Vespergebet. Wir erzählen ihnen von unseren gemeinsamen Tagen und sie machen uns Mut, unseren persönlichen Weg mit Gott treu zu gehen. In den frei formulierten Fürbitten beten sie besonders für die Seelsorger und die Gemeinden, die sich am Sonntag in den Dörfern ringsum zum Gottesdienst versammeln.

Nach dem Abendbrot im Pfarrhaus von Görzig lesen wir im Neuen Testament die Perikope vom reichen Fischfang (Lk 5,1-11). Dass Petrus auf das Wort Jesu die Netze noch einmal auswirft, es aber allein tun muss, geht uns nahe. Er tut es, ohne sich auf Jesus zu stützen. Ganz auf sich allein gestellt, fährt er noch einmal hinaus auf den See. Wer neu anfängt, muss selber anfangen, getragen allein durch das Wort Jesu! Nur so geschieht der reiche Fischfang. Petrus ist erstaunt und erschrocken: "Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder!"

Genau hier finden wir uns wieder mit unseren "Fingerabdrücken", mit unseren Fragen: Ist Berufung nicht eine Nummer zu groß für mich? Reichen meine Fähigkeiten aus? Ist mein Glaube stark genug? Im Gespräch merken wir: Diese Unsicherheiten spüren wir alle in uns. Petrus macht uns Mut, unsere begrenzten Fähigkeiten und unseren kleinen Glauben Jesus anzubieten. So wurde Petrus wertvoll für die Kirche und so könnten wir es auch werden. Jeder mit seinem unverwechselbaren Fingerabdruck.

Jeder ist auf der Suche nach seinem ganz persönlichen Weg ein Stück weiter gekommen. Die Begegnungen und vor allem unsere gemeinsamen Gespräche haben nicht nur Abdrücke, sondern auch viele tiefe Eindrücke hinterlassen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 20 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 17.05.2001

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