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Auf zwei Minuten

Ich leuchte, weil ich bin

Es geht um den Mut, Freude zu zeigen

Pater Damian

In einem Winkel der Welt kauerte verbissen, trotzig und freudlos eine dicke, schauerliche Finsternis. Plötzlich erschien in dieser Not ein kleines Licht, klein, aber ein Licht. Jemand hatte es hingestellt. Es war ganz einfach da und leuchtete. Einer, der vorüberging, meinte: "Du ständest besser woanders als in diesem abgelegenen Winkel." "Warum?", fragte das Licht. "Ich leuchte, weil ich Licht bin, und weil ich leuchte, bin ich Licht. Ich leuchte nicht, um gesehen zu werden, nein, ich leuchte, weil es mir Freude macht, Licht zu sein." Aber die düstere Finsternis ging zähneknirschend und wütend gegen das Licht an. Und doch war die ganze große Finsternis machtlos gegen dieses winzige Licht. (nach Willi Hoffsümmer).

Das ist eine tröstliche Geschichte: Auch das kleinste Licht kann nicht von der Finsternis verschluckt werden. Das Wort Jesu aus der Bergpredigt: "Ihr seid das Licht der Welt" hat mich immer erschreckt. Wie können wir denn in einer Welt voller Gewalt und Unfrieden, voller Machtmissbrauch, Korruption, Ungerechtigkeit und finsterer Verwirrung ein Licht sein, dass das Gute des Lebens und der Welt sichtbar macht? Und dann heißt es im Jesuswort weiter: "So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen" (Mt 5,16). Ist das nicht eine Überforderung? Ein Blick in die Geschichte der Christenheit zeigt: Neben den Lichtgestalten der Heiligen in allen Jahrhunderten gab es auch gleichzeitig viel Sündhaftes in der Kirche, Abweichen von der Nachfolge Christi Irrwege, Ärgernisse, Finsternis, die den Pfad zum Leben verdunkelte.

Dennoch: Die Finsternis kann das Licht nicht verschlucken. Wer einmal bei mond- und sternenloser Nacht auf einem schmalen Waldweg gegangen ist, weiß das Licht einer auch nur schwachen Taschenlampe zu schätzen. Es schützt vor dem Stolpern über Stock und Stein. Das Wort Jesu, Licht der Welt zu sein, ist an alle gerichtet. Und auch das ist ein Trost, denn hier gilt das bekannte Wort in Abwandlung: "Viele kleine Lichter an vielen kleinen Orten können die Finsternis überwinden." Und dabei geht es nicht immer um große Aktionen. Es geht um den Mut, einfach Freude und Güte zu zeigen. "Ich leuchte, weil es mir Freude macht, Licht zu sein." Wir sind leicht geneigt, die Wirkung unseres eigenen kleinen Lichtes als wirkungslos zu unterschätzen und stellen es dann unter den Scheffel: "Was kann ich als Einzelner schon tun? Es hat ja doch keine Wirkung!" Viele kleine Lichter aber bilden zusammen Lichterketten. Und die können zu einer entscheidenden Wende beitragen, wie unsere jüngste Vergangenheit zeigt.

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 48 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 12.12.2002

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