Eine neue Legende vom heiligen Nikolaus
Pfarrer Michael Kleiner hat über den Nikolaus nachgedacht...
Der heilige Nikolaus ist der Patron der Seefahrer und aller, die mit Wasser zu tun haben.. Wie zerstörerisch Wasser sein kann, haben viele Menschen im Sommer erfahren müssen. Pfarrer Michael Kleiner aus Heidenau hat über den heiligen Nikolaus nachgedacht: Daraus ist eine Nikolauslegende geworden.
Es begab sich, dass sich einmal über einem Land die Wolken so dunkel ballten, dass sie wie schwarz aussahen. Vom Wasser waren sie so voll, wie es das seit Menschengedenken nicht mehr gegeben hatte. Wenn dies als Regen zur Erde fiele, dann würde Wasser über Wasser fürchterlich über die Menschen hereinbrechen. Alle kleinen Bäche würden dann zu reißenden Strömen werden. Was keiner in der Gegend im bösesten Traum sich vorzustellen vermochte, das musste kommen: Bäume und Straßen, Bahndämme und ganze Häuser würde das Wasser fortreißen. Die Kinder würden ihr Spielzeug, die Erwachsenen ihr Geschäft und die Familien ihre mühsam geschaffenen Wohnungen verlieren. Wahrlich, eine Sintflut drohte dem Land.
Der heilige Nikolaus nun stand als wahrer Heiliger dem Herzen seines Herrn nahe. Heilige nämlich sind Menschen, durch die Gott handelt. So begab es sich, dass der heilige Nikolaus genau zu jener Zeit wusste, was sich über der Erde und in den Wolken tat. Er sah dies alles kommen, denn er war der Patron der Seeleute, einfach aller, die mit dem Wasser zu tun haben. Wir können wohl sagen, der heilige Nikolaus war der Patron des Wassers, wo immer es vorkam. Allen hatte er geholfen, wenn es zu helfen galt. Damals im Hafen von Myra ließ er die Matrosen den Hungernden Getreide von den Kornschiffen geben. Andere Seeleute hatte er aus Sturmesnot gerettet. Deswegen heißen viele Kirchen an den Handelswegen St. Nikolai.
Weil ihm die armen Menschen Leid taten, wie sie nichts ahnten in ihren Häusern und wie die Kenner des Wetters nichts, aber auch gar nichts verstanden, die Leute zu warnen, beschloss St. Nikolaus zu helfen. Sie sollten nicht unversehens vom Wasser überrollt werden. Also wandte sich St. Nikolaus an Gott: "Herr", sprach er, "siehst du nicht, was sich da zusammenzieht? Ich bitte dich, lass mich ein Wunder tun, ein einziges. Die Menschen tun mir Leid. Gib mir von deiner Kraft, die Wasser aufzuhalten. Das Wasser soll sie nicht verderblich treffen. Ich will Menschen vor dem Wasser retten, wie ich damals die Seeleute retten konnte."
Die Erde ist nicht mehr das Paradies, wie ich es schuf
Da sprach der Herr: "Mein lieber Bischof Nikolaus! Ich fühle so wie du. Auch mir tun die Menschen Leid. Jedoch, die Fluten aufzuhalten, diesmal kann ich es nicht. Diese Erde ist nicht mehr das Paradies, wie ich es schuf. Unvollkommen wurde die gute, schöne Erde. Als die Menschen in die Sünde fielen, fing das Unheil an. Du kennst doch die Geschichte vom Sündenfall. Ich habe ihnen die Freiheit gegeben und einen klaren Verstand. Sie müssen nun selbst wählen, was sie tun. Was vom Paradies noch blieb, dem setzen sie böse zu. Das tun sie Jahr um Jahr. Sie hauen die Bäume um, dass die Erde nicht mehr atmen kann. Sie blasen ihr Gift aus den Fabriken und ihren Fahrzeugen, dass Luft und Wolken jetzt belastet sind. Von Zeit zu Zeit fällt dann auf sie selbst zurück, was sie tun. Das sind die Katastrophen. Und nun rollt eine Flutkatastrophe auf sie zu. Wenn ich die neue Welt schaffe, dann wird es keine Tränen und keine Flut und kein Schaden mehr geben. Noch liegt die Welt in Wehen, das neue Dasein zu erwarten." Betrübt fügte sich St. Nikolaus. Er sah es wohl, das Unheil der Flut war nicht aufzuhalten. Als er nun die Elbe sah in Sachsen und das Flüsschen Müglitz im Erzgebirge, wie sie die Häuser der Menschen verwüsten würden, hielt es ihn nicht mehr. St. Nikolaus wandte sich ein zweites Mal an den Herrn und sprach: "Herr, ich weiß, es gibt kein Aufhalten für die Flut. Ich bitte dich für dieses Mal, gib mir deine Vollmacht, wenigstens ein kleines Wunder zu wirken. Lass mich die Not der Flutkatastrophe lindern. Ich will ihre Last leichter machen. Ein Wunder soll helfen, das Unheil der Flut zu bewältigen."
"Gut", sprach der Herr. "Wegen deiner Beharrlichkeit und deiner Liebe gebe ich dir Macht, etwas zu bewegen in der Welt der Menschen. Doch überlege wohl, was du bewegst und wofür du meine Kraft einsetzt."
Weil ich gerade vom Flüsschen Müglitz sprach, muss ich euch noch erzählen, dass dort im Tal im Flussbett edle Steine im Fels sind. Edelsteine, die farbig leuchten und schöne Bänder haben. Achat heißen sie und Jaspis und Amethyst. Das Wasser fließt ruhig über die Steine hin und keiner findet sie. Wenn man jedoch einen von ihnen finden kann, schneidet und poliert, dann leuchtet seine ganze Pracht. Es macht einem das Herz froh, sie anzusehen in ihrer Schönheit. Kenner suchen diese Edelsteine. Sie sind ein schönes Geschenk. Man kann sich gar nicht satt sehen, wenn man solch einen Stein in der Hand hält.
Es kam, wie es kommen musste. Die Wolken brachen los mit ihrem Regen. Die Bäche schwollen wild an. Rasend tobte das Wasser die Täler hinab. Was immer sich ihm in den Weg stellt, das riss es mit sich fort. Bäume wurden entwurzelt, Brücken brachen ein, Straßen wurden unterspült. Furchtbar hauste das Wasser. Ganze Häuser stürzten ein. Wo die Wasser stehen blieben, drangen sie in die Stuben. Es traf die Menschen furchtbar. Alle waren wie gelähmt und konnten es nicht fassen.
St. Nikolaus rührt an die Herzen der Menschen
Da machte sich St. Nikolaus, der Kenner der Herzen an sein Werk. Ja, Kenner der Herzen nennen wir ihn mit Recht. Denn jedes Jahr im Dezember weiß er still und freundlich Wünsche zu erfüllen, die nur mit den Schriftzeichen der Hoffnung auf der Tafel des Herzens geschrieben stehen. Jetzt hatte er die Vollmacht für ein Wunder vom Herrn erhalten. Was er tun wollte, hatte er wohl bedacht. Leise rührte er mit der Vollmacht seines Herrn an die Herzen der Menschen. St. Nikolaus wirkte ein Wunder. Alle Herzen standen offen. Ein großes Gefühl der Verbundenheit ergriff sie alle. Man begann zu teilen, was man hatte. Die Menschen sammelten, sie spendeten, sie trösteten. Sie fanden neue Worte füreinander. Ganz fremde Menschen kamen von weit her und packten zu, als das Wasser sich zu verlaufen begann. Und die Betroffenen im Tal der Elbe und im Tal der Müglitz, sie fluchten nicht. Sie schimpften nicht und wurden auch nicht böse. Ein großer Geist des Mitleids und der Hilfsbereitschaft war im ganzen Land. Eine wunderbare Kraft erfüllte alle. Zwar waren alle müde von der Arbeit im Wasser und im Schlamm. Doch ließen sie nicht nach. Alle spürten es: Ein Wunder ist geschehen. Auch die Kleinsten wollten nicht beiseite stehen. Sie backten Kuchen und verkauften ihn und schickten den Erlös den Betroffenen. So kam für das Land eine wunderbare, kurze Zeit.
Die Flut hatte wohl das Land zerstört. Aber in den Herzen der Menschen hatten sie die verborgenen Schätze der Freundlichkeit, der Liebe und Hilfsbereitschaft freigelegt. Alle spürten es auf ihre Weise: Ein Wunder war geschehen. Die Menschen waren wie verwandelt. Mitten im Unheil jener Tage war das Miteinander der Menschen freundlich und schön. Damit das Wunder an den Herzen der Menschen sich noch einmal in der Natur ereignete, fügte Bischof Nikolaus noch ein Zweites. Ich hatte euch vorhin von der Müglitz erzählt. Die wilde Wucht des Wassers hatte nicht nur Häuser und Straßen zerstört. Mit seiner unbändigen Kraft hatte die Flut im Müglitztal die Edelsteine freigelegt.
Heilende Wirkung ging von den Steinen aus
St. Nikolaus hatte unbemerkt die unbändige Kraft des Wassers auf die Edelsteine gelenkt. Das wilde Wasser legte die Edelsteine frei und brach sie auf. Die Müglitz trug sie jetzt fort, dass man sie finden konnte. Wer sie fand, dessen Herz konnten die edlen Steine erfreuen. Helfende, heilende Wirkung ging von den Steinen aus. Bischof Nikolaus schickte an einem der Tage nach der Flut den Pfarrer, der seine Pfarrei an der Müglitz hatte, das Müglitztal hinauf. Als er vom Rad fahren müde wurde, setzte er sich am Flüsschen nieder und machte Rast. Er hatte nach seiner Pfarrei und den betroffenen Gemeindemitgliedern sehen wollen. Er wollte sehen, wie es den Leuten wohl ginge und suchte ihnen Mut zu machen. Genau vor seine Füße hatte Bischof Nikolaus einen großen Stein mit Jaspis, Achat und Amethyst tragen lassen. Der Pfarrer traute seinen Augen nicht. Jetzt erkannte er das Geschenk des heiligen Nikolaus. Dann lud er den Stein und einige weitere auf sein Fahrrad und brachte sie heim. Nach dem Plan des heiligen Nikolaus ließ er die Steine von einem Steinschneider teilen und polieren, so dass ihre Schönheit leuchtend hervortrat. Jeder, der unter der Flut gelitten und jeder, der geholfen hat, soll nun einen kleinen Stein erhalten. Als Geschenk des heiligen Nikolaus. Als Dank für euch. Hebt ihn gut auf, dann kann er euch zu einer späteren Stunde vom Wunder der Verwandlung erzählen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 19.12.2002
Wenn Sie selbst wie der heilige Nikolaus etwas Gutes tun wollen, dann beteiligen Sie sich doch an der Aktion von Vivat! unter www.nikolausfreu.de.