Sehr lebendig geblieben
Wie die kleine Gemeinde in Ellrich schon seit vielen Jahren ohne eigenen Pfarrer auskommt
Ellrich (as) -Gemeinden ohne Pfarrer, Sonntagsmessen unregelmäßig, in den nächsten Ort können die älteren Leute nicht mehr fahren -all das ist längst Alltag in der thüringischen Diaspora. Die Gemeinden werden nicht nur kleiner, auch die Zahl derer, die sie betreuen, nimmt rapide ab, vor allem Priester. Dass eine Gemeinde ohne Pfarrer durchaus lebendig sein kann, zeigt das Beispiel des der kleinen Gemeinde St. Bonifatius Ellrich bei Nordhausen. Seit 1982 schon hat die Gemeinde keinen Priester mehr. Seitdem wird sie von Nordhausen mit betreut.
Dass das Gemeindeleben auch danach gelungen ist, ist vor allem dem Engagement der Gläubigen zu verdanken. Einer von ihnen ist Karl Joseph Liwicki, der nicht nur als Küster in der Gemeinde tätig war. Viele Jahre war er zudem Vorsitzender des Pfarrgemeinderates und Mitglied im Kirchenvorstand. "Trotzdem wir seit vielen Jahren keinen eigenen Priester mehr haben, ist unserer Gemeinde sehr lebendig geblieben", sagt der heute 82- Jährige nicht ohne Stolz. Erst im letzten Jahr feierten die Christen in Ellrich das 150-jährige Jubiläum ihrer Gemeinde.
Angefangen hatte alles im Ellricher Schützenhaus 1852. Dort tagte am 20. März die Gründungsversammlung, eine Hand voll Katholiken aus dem Ort. Der erste Gottesdienst fand nur wenige Tage später in einer ehemaligen Tischlerwerkstatt statt, die die Gemeinde für diesen Zweck gemietet hatte. Noch weitere drei Jahre vergingen bis die Gemeinde ein eigenes Grundstück für das Pfarrhaus erwerben konnte, Das Jahr 1856 gilt als das Gründungsjahr der Notkirche. Die Grundsteinlegung für die jetzige Kirche war am 24. Mai 1891. Der Paderborner Weihbischof Augustinus Gockel weihte das Gotteshaus am 24. Juni 1893.
Nach der deutschen Teilung gehörte Ellrich zum Sperrgebiet -jeder, der hierher wollte, brauchte einen Passierschein, auch Pfarrer und Gemeindereferentinnen. So war das Wendejahr 1989 eine Erlösung für die Gemeinde, die unter den Repressalien der SED-Regierung sehr zu leiden hatte. Viele kamen, um ihre Heimatkirche wiederzusehen und alte Freunde zu treffen- Nach Jahrzehnten. "Mit der Nachbargmeinde in Bad Sachsa konnten wir wieder einen intensiveren Kontakt aufnehmen", berichtet Karl Joseph Liwicki. Sie war es auch, die die Ellricher Katholiken bei der Sanierung ihrer Kirche unterstützte, so zum Beispiel die neuen Fenster und die wieder hergerichtete Giebelwand des Pfarrhauses bezahlte. 1996 hatte die Gemeinde allerdings nur noch knapp 200 Mitglieder, viele waren nach der Wende aus der Kirche ausgetreten. "Wohl auch wegen der Kirchensteuer", wie Karl Joseph Liwicki vermutet.
So haben die Katholiken von Ellrich wie viele Diasporagemeinden Probleme, Nachwuchsprobleme. Jüngere Gemeindemitglieder ziehen weg, weil sie irgendwo anders Arbeit gefunden haben. Auch die junge Familie, die bis zum letzten Jahr im Pfarrhaus wohnte, sich um den Kirchenschmuck oder um die Reinigung der Kirche und des Pfarrhauses kümmerte. Seitdem ist die Gemeinde ganz auf sich gestellt, zumindest was die notwendigen Arbeiten in der Kirche angeht. Aber, so versichert Karl Joseph Liwicki, alle packen mit an. "Wir freuen uns, dass wir jeden Sonntag in unserer kleinen Kirche den Sonntagsgottesdienst feiern können", sagt er.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 09.01.2003