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Stärkung - aber auch Abgrenzung

Die sorbische Kirchenzeitschrift Katolski Posol von 1863-1939

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hoben sich die praktizierenden Katholiken in den meisten europäischen Ländern von der modernen Zeitkultur ab. Sie schufen eigene Verbindlichkeiten innerhalb eines stark abgegrenzten weltanschaulichen Milieus, das von manchen Katholizismusforschern heute als Sub- oder Sondergesellschaft bezeichnet wird. Die katholischen Sorben in der Oberlausitz waren wegen ihrer Nationalität und den religiösen Eigenheiten eine zweifache Minderheit inmitten des evangelisch deutschen Umfeldes. Mit seiner Analyse der sorbisch katholischen Zeitschrift "Katolski Posol" zeigt Martin Walde, wie sich der doppelte Minderheitenstatus in dieser Publikation niederschlug und macht damit zugleich Teile des innersorbischen Diskurses den deutschen Lesern zugänglich.

Der Katolski Posol war Bestandteil eines umfassenden kirchlichen Deutungssystems. Von sorbischen Priestern redaktionell verantwortet, spielte er eine wichtige Rolle bei der Stärkung und Verteidigung sorbischer und katholischer Identität. Diese Identität speiste sich aus einer Verbindung von Bauerntum, Sorbentum und Katholizismus. Eifersüchtig wurde auf die Abgrenzung zu den evangelischen Sorben geachtet. Die Mitgliedschaft katholischer Sorben in gemischtkonfessionellen Vereinen rief im Katolski Posol mehrfach intensive Kontroversen hervor. Im Zweifelsfall hatte die Konfession Vorrang vor der Nationalität.

Zur Abgrenzung zu den evangelischen Landsleuten kam der Kampf gegen den allgegenwärtigen Liberalismus, dem man religiöse Überzeugungen und Traditionen gegenüberstellte. Die umfassende Diskussion und die Skandalisierung von vermeintlich nebensächlichen Themen, wie der Kleiderordnung in öffentlichen Bädern oder beim Mädchenturnen in den zwanziger Jahren ist auch schon in anderen Milieustudien beschrieben worden. Sie geht einher mit einer Distanz vieler Katholiken zur Weimarer Republik und steht im krassen Missverhältnis zur Zurückhaltung angesichts der Ereignisse nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933. Den Sorben wäre diese Zurückhaltung allerdings zuletzt vorzuwerfen, waren sie doch aufgrund ihrer geringen Zahl stets auf ein gutes Verhältnis zur deutschen Obrigkeit angewiesen.

Ihre Kultur und Eigenart muss-ten die Sorben jedoch nicht nur gegenüber dem politischen Umfeld behaupten, auch von der Leitung des 1921 wieder errichteten Bistums Meißen erhielten sie zunächst keinerlei Unterstützung. Bei diesem heiklen Thema werden die Grenzen von Waldes Diskursanalyse deutlich: Der Katolski Posol bemühte sich, die Kontroversen zwischen dem deutschen Episkopat und dem sorbischen Klerus von den Gläubigen fernzuhalten.

Innerkirchliche Auseinandersetzungen wurden soweit wie möglich geschlichtet oder tabuisiert und tauchen deshalb nur in Ausnahmefällen in der Zeitung auf. Die Leser waren deshalb auf die nichtkatholische Zeitung Serbske Nowiny angewiesen, um sich beispielsweise über die Auflösung des traditionsreichen Sorbischen Seminars in Prag zu informieren. Auch bei seiner Analyse muss Walde deshalb andere Quellen heranziehen, um die innerkirchlichen Konflikte zu erläutern. Leider spielen die umfangreichen Aktenbestände im Bautzner Ordinariatsarchiv zu den sorbischen Belangen in dieser Arbeit keine Rolle.

Dennoch wird deutlich, wie groß die Kluft zwischen den sorbischen Priestern und der Bistumsleitung war. Selbst Katholiken wird kaum bekannt sein, dass beispielsweise die Abtei Marienstern in Panschwitz-Kuckau, also mitten im sorbischen Gebiet, den Sorben immer als "Germanisierungsfaktor" galt. Bei der ersten Diözesan-synode im Jahr 1923 in der Abtei, bei der alle Verhandlungsgegenstände als Amtsgeheimnisse behandelt wurden, kam es zu zahlreichen Kränkungen der sorbischen Katholiken. Auch der Katolski Posol, der sich immer loyal gegenüber der deutschen Kirchenhierarchie verhalten hatte, geriet in die Kritik. In einem Referat auf der Synode wurde sogar die Verwendung der sorbischen Sprache bei der Vermittlung von Glaubensinhalten als unzureichend und gefährlich hingestellt. Die Untersuchung Waldes endet mit dem Verbot des Katolski Posol und anderer sorbischer Publikationen durch die Nationalsozialisten. Am 15. Juli 1939 erschien die vorerst letzte Ausgabe (nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es den Katolski Posol wieder seit Dezember 1950).

Bereits seit 1936 war die Zeitung weitgehend unpolitisch geworden. Die Konflikte seit der Machtübernahme lassen sich anhand der Zeitung deshalb kaum darstellen. Dennoch ist das anspruchsvoll gestaltete Buch sowohl zur Katholizismusforschung als auch zur Geschichte der Sorben ein wichtiger Beitrag.

Henry Krause

Martin Walde: "Gestaltung sorbischer katholischer Lebenswelt. Eine Diskursanalyse der religiösen Zeitschrift "Katolski Posol" zwischen 1863 und 1939", Lusatia Verlag, Bautzen 2000, 39,80 Mark

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 20 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 17.05.2001

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