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Bistum Erfurt

Den christlichen Glauben erlebbar machen

Der Erfurter Diözesan-Caritasdirektor Heller im Interview

Im Spätherbst 2000 hat der Caritasverband für das Bistum Erfurt auf sein zehnjähriges Bestehen als Verband in der Bundesrepublik zurückgeblickt. Der Tag des Herrn sprach mit Diözesan-Caritasdirektor Bruno Heller über Erreichtes, über akute soziale Not und über Aufgaben der Caritas.

Die Caritas im Bistum Erfurt hat seit der Wende eine große Vielfalt an Diensten aus- und aufgebaut. Ist der Weg in die Bundesrepublik gelungen?
Wir haben uns nach der Wende unter der Leitung meines Vorgängers Peter Hostombe vorgenommen, in Partnerschaft mit anderen Anbietern nach unseren Kräften einen Teil der Sozialarbeit im Land zu übernehmen und dieses aus christlichem Geist heraus möglichst beispielhaft zu tun. Vieles war kirchlicherseits schon in der DDR-Zeit begonnen worden. Caritas und Diakonie hatten sich in der Arbeit mit Suchtabhängigen engagiert und gegen Widerstände deutlich zu machen versucht, dass Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist. Wir hatten in Erfurt und Leinefelde mit der Suchtberatung begonnen. Ein Stück Pionierarbeit haben wir zu DDR-Zeiten auch in Dingelstädt, Ershausen und Heiligenstadt hinsichtlich der Arbeit mit behinderten Menschen geleistet. Insofern waren wir auf die neuen Bedingungen vorbereitet.
Was wurde inzwischen erreicht?
Wir haben heute sechs, zum Teil große Sozialstationen, in denen es hochmotivierten Mitarbeitern gelingt, fach- und sachkompetent Menschen Hilfe zu leisten. Wir haben die Behindertenarbeit mit den heutigen Möglichkeiten fortgeführt. Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung, die zu DDR-Zeiten vorwiegend im kirchlichen Bereich tätig war, ist uns zugewachsen und konnte erweitert werden. Heute nehmen auch zahlreiche Nichtchristen dieses Angebot war. Neu hinzugekommen sind die Schuldnerberatung und die Betreuung Gefangener. Stark ausgebaut haben wir die Allgemeine soziale Beratung als Anlaufpunkte in jeglicher Notsituation und als Schnitt- und Vermittlungsstellen hin zu unseren Fachdiensten und zur Arbeit der Ehrenamtlichen der Gemeinden. Die Allgemeine soziale Beratung wird voll aus Kichensteuermitteln finanziert.
Einige Krankenhäuser mussten aber aufgegeben werden ...
Zu DDR-Zeiten hatten wir elf, teilweise allerdings recht kleine Häuser. Heute sind es noch fünf, die sich aber hinsichtlich von Angebot und Wirkungskreis profiliert haben. Ich denke, wir gehen mit unseren Möglichkeiten verantwortlich um, und hoffe, dass wir bei zurückgehenden kirchlichen Mitteln unsere verschiedenartigsten Angebote auch halten können.
Anliegen der Caritas muss es sein, Menschen in Not zu helfen. Wo ist die Not in unserer Gesellschaft besonders groß?
Caritas muss immer eine Art Wünschelrutengängerin sein, um die konkrete Not von Menschen aufspüren und ihnen helfen zu können. So haben wir uns sehr bald nach der Wende für Menschen in Obdachlosigkeit stark gemacht, die evangelische Kirche bei der Unterbringung, wir mit unseren Tagestreffs mit Suppenküchen. Es gibt Menschen, denen man einfach helfen muss, durchs Leben zu kommen. Auf echte Not zu antworten versuchen zum Beispiel aber auch die ehrenamtlich Engagierten der Hospizgruppen.
Wo gibt es Bereiche der Not, auf die die Gesellschaft zu wenig eingeht?
Die Gesellschaft verliert die Schwierigkeiten aus dem Blick, in denen sich Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger befinden. Dabei meine ich vor allem Alleinerziehende und Kinder- und Jugendliche. Für ein Dach über den Kopf, für Essen und Kleidung ist gesorgt. Aber wie die Betroffenen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, danach wird wenig gefragt. Hat das Kind einer allein Erziehenden nicht das Recht, an einer Klassenfahrt teilzunehmen, was entsprechend Geld kostet? Oder muss eine allein Erziehende nicht auch mal die Möglichkeit haben, zum Frisör zu gehen?
Und die Asyl Suchenden?
Die Zahl der Asyl Suchenden ist zwar rückläufig. Aber nach wie vor wollen wir mit unserer Arbeit in den Migrationsdiensten an verschiedenen Orten des Freistaates zu einem Klima der Toleranz beitragen, damit Fremdenfeindlichkeit überwunden werden kann und Migranten bei der Beheimatung in Thüringen wirksam geholfen wird.
Es gibt soziale Aufgaben wie etwa die Krankenpflege, die ursprünglich von Christen aufgebaut wurden, heute aber sehr gut auch von anderen geleistet werden. Sollte sich die Kirche vielleicht aus solchen Diensten zurückziehen und ihre begrenzten Kräfte stärker in Bereiche inves-tieren, um die sich von anderen zu wenig gekümmert wird?
Bis heute sind die christlichen Krankenhäuser gefragt. Die kirchlichen Kliniken wollen Raum bieten, aus christlicher Menschensicht heraus Krankheit, Leid und Sterben zu bestehen. Natürlich unterliegen unsere Häuser vielen Zwängen wie andere Kliniken auch. Andererseits werden die Kosten unserer Einrichtungen weitgehend finanziert. Als Kirchen Träger von Kliniken zu sein, bietet die Möglichkeit, in der gesundheitspolitischen Diskussion die christliche Stimme einbringen zu können. Die Gründung unseres Krankenhausverbandes hatte unter anderem diesen Zweck.
Gelingt es den Sozialeinrichtungen der Caritas, christlichen Geist erfahrbar zu machen?
Ich denke schon. Natürlich steht eine gute Fachlichkeit im Vordergrund. Nicht alle unsere Mitarbeiter sind Christen. Dennoch ist es möglich, in der Art und Weise, wie mit den Menschen umgegangen wird, christliches Profil deutlich werden zu lassen. Christliche Sozialarbeit ist immer auch Kulturarbeit: In dem zum Beispiel unsere Räume möglichst einladend gestaltet sind, lässt sich Menschen in Not, die uns aufsuchen, besser rüberbringen: Trotz deiner großen Not bist du geachtet, wertgeschätzt. Oder durch das Vorhandensein einer Kapelle im Zentrum einer Klinik wird deutlich: Christen glauben, dass Gott Interesse am Menschen hat. Weil wir glauben, als Christen in dieser weithin nichtchristlichen Gesellschaft gefordert zu sein, haben wir uns auch gemeinsam mit der Diakonie um die Trägerschaft der drei psychiatrischen Fachkrankenhäuser Thüringens beworben. In dem wir junge Leute ausbilden, ermöglichen wir ihnen den Start ins Berufsleben und können ihnen ein Stück Lebensprägung mit auf den Weg geben. Zur Kirche gehört der soziale Dienst für die Menschen genauso wie die Caritas das Anliegen der Verkündigung im Blick behalten muss. Es darf für die Kirche keine Frage sein, wie viel Caritas sie sich leisten kann.
Seit 1. Januar stellen die Caritas-Schwangerschaftsberatungsstellen keinen Beratungsschein mehr aus. Dennoch soll es weiter fünf Caritas-Einrichtungen geben. Wo sehen Sie Chancen der Beratung ohne Schein?
Wir beraten weiterhin auch in Konfliktsituationen. Durch noch bessere Vernetzung mit Fachdiensten und ehrenamtlichen Helfern aus den Gemeinden, die Frauen und ihren Familien beizustehen bereit sind, wollen wir Hilfesuchenden stärker ideell und materiell zur Seite stehen. Aufgabe ist es auch, in unsere Gemeinden und in die ganze Gesellschaft hinein für mehr Kinderfreundlichkeit zu werben. Und auch in puncto Adoption muss noch manches anders werden. Als Kirche sind wir gefordert, Kindergartenplätze, vielleicht auch Krippenplätze vorzuhalten.

Interview: E. Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 2 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.01.2001

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