Anregen und Mut zum Beten machen
Ehemaliger Jugendreferent Guido Erbrich über junge Leute und das Beten
"Zum Beispiel: Du" -dass ist der Titel eines Gebetbuches für junge Leute, das im vergangenen Jahr im Leipziger St.-Benno- Verlag erschienen ist. Bearbeitet und herausgegeben hat es Guido Erbrich, viele Jahre Referent in der Jugendseelsorge im Bistum Dresden-Meißen. Inzwischen ist er in einem neuen Bereich der Seelsorgearbeit des Bistums tätig. Unter dem Titel "25plus" widmet er sich vor allem den 25- bis 40-Jährigen. Grundlage des neuen Gebetbuches war das zu DDR-Zeiten erschienene Jugendgebetbuch "Zum Beispiel".
Der TAG DES HERRN sprach mit Guido Erbrich über junge Leute und das Beten.
Frage: Herr Erbrich, Sie haben ein Gebetbuch für junge Leute gemacht. Was war Ihnen dabei wichtig?
Erbrich: Zunächst die Erinnerung daran, wie ich selbst als Jugendlicher ein Gebetbuch benutzt habe. Ich habe das Buch genommen, geblättert und gesucht, ob ich darin etwas finde, was mich in meiner Situation anspricht. Junge Leute werden ein Gebetbuch nicht zur Hand nehmen, um das Inhaltsverzeichnis zu studieren oder es von Klappendeckel zu Klappendeckel durchzuarbeiten. Sie nehmen ein Gebetbuch und suchen einfach einen Text, der sie jetzt in ihrer Situation trifft. Und dieser Text kann dann eine Anregung sein, das, was mich in meiner Beziehung zu Gott bewegt, in eigenen Worten zu fassen. Ich denke, dass das Buch -auch durch die grafische Gestaltung -dazu gut geeignet ist. Wichtig war mir außerdem, dass es nicht nur ausgesprochene Gebetstexte sein müssen, die jemanden zum Beten führen, sondern dass das auch über eine Geschichte geschehen kann. Jesus hat häufig Gleichnisse erzählt. Und diese Geschichten waren für die Hörer ein Zugang zu Gott. In dem Gebetbuch sind mehrere Kurzgeschichten enthalten. Und vielleicht rutscht der Leser -ohne dass er es gleich merkt -beim Nachdenken über die Geschichte ins Gebet.
Frage: Sie waren viele Jahre in der Jugendseelsorge tätig. Fällt es jungen Leuten heute schwerer zu beten als zu DDR-Zeiten?
Erbrich: Ich denke ja. Wer zu DDR-Zeiten Christ war, der musste das anderen und auch sich selbst gegenüber zeigen. Beten war dazu eine Möglichkeit. Damals war das Beten in Jugendgruppen selbstverständlicher. Heute fällt es vielen schwer, Gebete frei zu gestalten. Bei Kursen im Jugendhaus haben wir Folgendes immer wieder erlebt: Wenn die Arbeiten verteilt wurden -beispielsweise der Küchendienst -, war das kein Problem. Nur die Gebetszeiten wollte kaum einer vorbereiten. Also haben wir das einfach mit anderen Aufgaben verbunden. Das Ergebnis waren oft ganz toll gestaltete, ehrlich formulierte Gebetszeiten. Also: Auch heute beten junge Leute, aber es fehlt ihnen oft der Mut, dass öffentlich zu zeigen. Ein Grund dafür ist, dass sie kaum Möglichkeiten haben, das Beten zu lernen. Weder in der Familie noch in der Gemeinde.
Frage: Und wie kann man Beten lernen?
Erbrich: Am besten dadurch, dass von Anfang an die Eltern mit ihren Kindern beten -nicht nur am Mittagstisch. Und natürlich auch dadurch, dass in der Gemeinde selbstverständlich gemeinsam gebetet wird. Dabei ist Beten nicht nur eine leichte Angelegenheit. Schon die Jünger Jesu haben da so ihre Schwierigkeiten gehabt, schließlich haben sie Jesus auch gefragt: Herr lehre uns beten. Wer junge Leute anregen will zu beten, sollte ihnen Mut machen. Es geht nicht um eine Meisterschaft im spirituellen Leben. Gott brauche ich doch nichts vorzumachen, im Gebet kann ich ehrlich sein. Mit ihm kann ich reden wie mir der Schnabel gewachsen ist. Gott wird mich auch ohne komplizierte Floskeln verstehen. Und es geht darum, die Momente in meinem Leben zu entdecken, wo ich still vor Gott werden kann. Dann brauche ich häufig gar nicht mehr viel zu tun.
Frage: Wenn junge Leute in den Familien oft nicht die Möglichkeit haben, Beten zu lernen, müssten dann Gemeinden und Jugendseelsorge mehr dafür tun? Zum Beispiel Gebetskurse anbieten?
Erbrich: Natürlich kann man Gebetskurse anbieten. Und es gibt bestimmte Zeiten, wo sich das anbietet -stille Tage im Advent zum Beispiel. Aber ich glaube, es ist spannender und wichtiger, das Gebet ins Alltagsgeschäft zu bringen. Gebet, Spiritualität ist der Rahmen für alles andere. Ob es sich nun um eine Relistunde, ein Bibelwochenende oder ein Fußballturnier handelt, Beten gehört dazu. Nicht aufgesetzt sondern als einfache Selbstverständlichkeit. Und es sollte nicht nur den "Profis", also Priestern, Diakonen und Gemeindereferenten überlassen bleiben. Ich muss nicht immer eine Kirche suchen oder das Vater unser beten. Denn sonst heißt es schnell: Aha, jetzt kommt wieder was Frommes! Jetzt kommt wieder die andere Welt! Aber Gott finde ich nicht woanders, sondern hier.
Die Fragen stellte Matthias Holluba
Guido Erbrich (Hg):
"Zum Beispiel: Du -Gebete für junge Menschen",
St.-Benno-Verlag,
Leipzig 2002,
Preis 14.90 Euro,
ISBN 3-7462-1454-8
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 23.01.2003