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Auf zwei Minuten

Er strickt an unserem Leben

Einmal ist es Gott, der an unserem Leben strickt, und dann sind wir es selber.

Pater Damian

Vor kurzem stieß ich in einem Exerzitienhaus auf das Buch "Die Geschichte der MichèIe". Es handelt sich um die Lebensgeschichte einer französischen Prostituierten, die in einem langen Prozess zum Glauben an Christus findet. Sie schafft es mit viel Mühe und unter vielen Rückschlägen ihren Schulabschluss zu machen und einen Beruf zu erlernen. Sie selbst wird aktiv in verschiedenen katholischen Aktionsprogrammen, unter anderem im "Nest", das Frauen hilft, aus der Prostitution auszusteigen und einen neuen Lebensweg zu beginnen. Michèle zeigt in ihrem Bericht: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sie immer wieder Menschen trifft, die sie nicht ausnutzen, nicht gebrauchen, sondern ihr helfen wollen. Und die an sie glauben. Ihr nach all den Niederlagen wieder Mut machen. Es handelt sich um Arbeiterpriester, Mitglieder der Christlichen Arbeiterjugend, andere gläubige junge Menschen. Und das ist ihr Glück. Sie geht einen sehr schweren Weg und fällt jahrelang immer wieder in die Gewohnheiten und Laster ihres früheren Lebens zurück. Immer wieder wird sie aufgefangen. Sie lernt es, sich im Gebet ehrlich vor Gott zu bringen und sich von der Liebe Christi tragen zu lassen. Schließlich geht sie auch in die "Glaubensschule" des Dominikaners Jacques Loew, mit dem sie viele Jahre in Briefverkehr gestanden hatte. Am Ende ihres Lebensberichts und Glaubenszeugnisses fasst sie ihre Erfahrung in die Worte: "Es wurde mir bewusst, dass nichts, gar nichts von dem, was das Leben ausmacht, Gott gleichgültig ist und dass er, ohne dass wir es wissen, an unserem Leben strickt. Ja, das ist es, an unserem Leben stricken. Wir lassen oft Maschen fallen, doch er nimmt durch das große Mysterium der Liebe in seinem Sohn die Maschen wieder auf und das Stricken geht weiter."

Bei diesem Bild des Strickens, das Michèle braucht, fällt auf: Einmal ist es Gott, der an unserem Leben strickt, und dann sind wir es selber. Sie sagt mit einfachen Worten eine tiefe theologische Einsicht: Gott handelt an uns nicht ohne uns. Er ist gegenwärtig mitten in unserem Leben, in unseren verschiedenen Lebensumständen, in unserem Glück und in unserer Trauer, unseren Erfolgen und Niederlagen, ja auch in unseren Sünden: "Er nimmt die fallen gelassenen Maschen wieder auf". Man kann von einem Dreier-Gefüge sprechen, in dem der Mensch wichtige Lebensentscheidungen trifft, sich bekehrt: Der Mensch mit seiner ganzen Existenz mit Leib und Seele, Gott, der durch unterschiedliche Wege sich zu Wort meldet (Kirche, Gewissen, andere Menschen), und schließlich das Umfeld, in dem eine Entscheidung ansteht.

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 4 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 23.01.2003

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