Die Welt braucht keinen Krieg
Bischöfe, kirchliche Verbände und Hilfsorganisationen mahnen zum Frieden
Osnabrück (nov/kna) - Während der 27. Januar näherrückt, an dem die UN-Waffeninspekteure ihren Bericht vorlegen wollen, mehren sich kirchliche Stimmen, die vor einem offenen Konflikt am Golf warnen. "Die Welt braucht keinen neuen Krieg", sagte der Botschafter des Heiligen Stuhls, Erzbischof Giovanni Lajolo, als Sprecher des Diplomatischen Corps beim Neujahrsempfang von Bundespräsident Johannes Rau in Berlin. Im Falle eines Kriegs müsse mit "verheerenden politischen Auswirkungen" und wachsender Entfremdung ganzer Völker gerechnet werden.
Zuvor hatte Papst Johannes Paul II. in einer eindringlichen Ansprache an Diplomaten betont, Krieg sei "immer eine Niederlage der Menschheit" und könne daher nur "das allerletzte Mittel" sein. In diesem Sinn äußerte danach Kardinal Joseph Ratzinger, Präfekt der Römischen Glaubenskongregation, Zweifel an der sittlichen Erlaubtheit eines Militärschlags. Nach den Maßstäben der katholischen Lehre über einen "gerechten Krieg" sei derzeit eine "Rechtfertigung für den Irak-Krieg nicht sichtbar", sagte Ratzinger.
Auch die deutschen Bischöfe lehnen einen Präventivkrieg gegen den Irak kategorisch ab. Ein vorbeugender Krieg wäre sittlich unerlaubt und widerspräche dem Völkerrecht, erklärten sie jetzt.
Unabsehbare Folgen eines Kriegs im Irak befürchten auch kirchliche Hilfswerke. Die Zahl der Todesopfer und der Verletzten könne in die Hunderttausende gehen, sagte Misereor-Hauptgeschäftsführer Josef Sayer. Das katholische Hilfswerk, die evangelische Organisation "Brot für die Welt" sowie der Evangelische Entwicklungsdienst forderten in einem gemeinsam Appell die Bundesregierung auf, alle Möglichkeiten einer friedlichen Konfliktlösung auszuschöpfen.
Die Kapazitäten zur medizinischen Versorgung seien schon jetzt unzureichend, hieß es weiter. Auch sei nicht vorhersehbar, wie sich ein Krieg auf die Nachbarländer, vor allem Israel, auswirken würde, betonte die Direktorin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Das Risiko neuer Konfliktherde von "Nigeria bis Indonesien" sei unkalkulierbar.
Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten forderte die politisch Verantwortlichen auf, der Bundeswehr nur dann einen Kampfauftrag zu erteilen, wenn friedensethische Prinzipien gewahrt seien. Einen Kampfeinsatz gegen Irak könnten nur die Vereinten Nationen anordnen.
Unterdessen kündigte der Generalsekretär der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, Reinhard Voß, für den Fall eines Militärschlags Aktionen des passiven Widerstandes an. Geplant seien etwa Sitzblockaden vor dem US-Luftwaffen-Stützpunkt bei Frankfurt.
Mit "großer Sorge" sähen die Christen im Heiligen Land einem Irak-Krieg entgegen, sagte der Trierer Bischof Reinhard Marx dieser Zeitung. Marx hatte in Jerusalem mit anderen europäischen und amerikanischen Bischöfen über Friedenswege für den Nahen Osten beraten. Es sei nicht auszuschließen, dass im Fall eines Kriegs gegen Saddam der Druck auf die palästinensische Bevölkerung und damit die Christen wachse, sagte Marx. In der Beurteilung der Irak-Frage herrsche Einmütigkeit unter den Bischöfen. Es gebe "keinen Millimeter Dissens zwischen dem Papst und uns und den Amerikanern".
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 23.01.2003