Eine Kapelle mitten im Kosovo
Pfarrer Gregor berichtet von seiner Zeit als Militärseelsorger auf dem Balkan / Mahnung zum Frieden
Cottbus -"Bitte beten Sie um den Frieden in der Welt, und zwar nicht erst morgen. Fangen Sie heute an, es sieht nicht gut aus!" Mit diesen Worten leitete Pfarrer Peter Paul Gregor einen Informationsabend ein, initiiert von dem Katholischen Arbeitnehmerbund (KAB) in Cottbus.
Der gebürtige Cottbuser ist seit 1999 Militärpfarrer. Für die Zeit von Dezember 2001 bis Mai 2002 wurde er zu den deutschen UN-Truppen bei Prizren im Kosovo abkommandiert. Seine allgemeine Einschätzung über dieses halbe Jahr: "Unter der Zivilbevölkerung herrscht unbeschreibliche Armut und unter den Soldaten eine Kameradschaft, wie ich sie in zwölf Kaplansjahren nicht erlebt habe." "Und was macht ihr da?", lautet eine Frage aus dem Publikum. "Die Anwesenheit zählt", so Pfarrer Gregor. "Rund um die Uhr werden Einrichtungen bewacht, denn gehen wir einmal weg, dann werden sie gleich in Brand gesetzt."
Auslandseinsatz zehrt an den Kräften der Soldaten
Gespannt hören die Anwesenden zu, als Pfarrer Gregor die tägliche Anspannung der Soldaten schildert: "Wer nur des höheren Soldes wegen in diesen Auslandseinsatz geht, ist innerhalb kürzester Zeit am Ende seiner Kräfte und Motivation." Weiter erklärt der Militärseelsorger: "Etwa ein Prozent der Soldaten ist katholisch, drei bis vier Prozent sind evangelisch, die anderen sind ungetauft. Durch intensive Kontaktpflege komme ich an etwa zwei Prozent der Soldaten heran. Nur durch ständige Besuche der Kompanie und durch Hinweise von Kameraden, dass jemand eine schlechte Nachricht von zu Hause bekommen hat und nun Beistand braucht, ist Seelsorge möglich."
Besonders schwere Zeiten seien im Camp, wenn die Truppenfahne auf Halbmast weht, berichtet der Pfarrer den knapp 100 nachdenklichen Zuhörern. Auch dann sei ein Seelsorger gefragt, wenn ein Offizier einer Mutter sagen muss: "Ihr Sohn kommt nicht mehr nach Hause." "Mit dem Tod als Teil des Lebens können auch langgediente Soldaten nur schwer umgehen", so Pfarrer Gregor.
Während seiner Tätigkeit als Seelsorger hat Pfarrer Gregor im Soldaten-Camp eine Feldkapelle errichten lassen. Mit großer Begeisterung berichtet er während des Informationsabends, wie die Kapelle mit viel Geschick und Akribie von den Soldaten erbaut wurde, allerdings teilweise auch unter dem Vorbehalt: "Bauen ja, aber hinterher rein gehen wohl kaum." Dennoch setzten sich auch Nichtchristen mit der Gestaltung sakraler Gegenstände auseinander.
Aus Maschinenteilen zusammengeschweißt entstanden Ambo, Leuchter und Altar. Die Symbolik ihrer Kunstwerke erläuterten die Soldaten selbst. So fertigten sie beispielsweise einen Leuchter für die Osterkerze, umschlungen von einem Kranz aus Stacheldraht, gleich der Dornenkrone. Das Licht der Kerze überstrahle aber das Leidenssymbol, hieß es. Oder sie brachten gekreuzte Schraubenschlüssel am Altartisch an, mit der Botschaft: "Hier ist der Schlüssel zu Gott!"
"Kirchstraße" führt vom Camp zur Kapelle
So steht sie nun inmitten einer vom Krieg gebeutelten Region, die Kapelle in Form eines Zeltes. Von innen sind die Wände mit Holz vertäfelt, Stuhlreihen stehen vor dem metallenen Altar und eine Glühbirnenkette an der Zeltdecke sorgt für Licht. Lediglich das Kreuz vor dem Zelt lässt von außen vermuten, dass es sich hier um eine Kapelle handelt. Ein Weg, von Pfarrer Gregor "Kirchstraße" benannt, führt vom Camp zur Feldkapelle. Etwa 15 Männer besuchen hier den Gottesdienst, in einer Region, in der die Lebensgefahr allgegenwärtig ist. "Ständig knallt es irgendwo, die Wälder rund herum sind vollkommen vermint", so der Seelsorger.
Nach einem abschließenden Friedensgebet an diesem Abend sprach Pfarrer Peter Paul Gregor nochmals eindringlich die Mahnung aus: "Leute betet! Ob Irak oder Afghanistan oder Kosovo, nichts ist geklärt! Die Soldaten haben gewaltige Bauchschmerzen dort unten wegen des drohenden Krieges."
Klaus Schirmer / tdh
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 30.01.2003