Für die Anliegen von Frauen da
Stendal: Caritas-Sozialarbeiterin Kittner hat den Schritt zum Beruf in der Kirche nicht bereut
"Ich funktioniere, aber ich lebe nicht richtig." Diesen Satz hört die Stendaler Caritas-Sozialarbeiterin Petra Kittner (46) immer wieder von Frauen, die zu ihr in die Beratung kommen, weil sie zu einer Mutter-Kind-Kur fahren wollen. "Die Frauen fühlen sich abgekämpft. Sie empfinden, dass ihre Arbeit nicht geschätzt und anerkannt wird. Sie erleben in ihrer Partnerschaft Stress", sagt Frau Kittner. "Sie sind froh, sich aussprechen zu können. Manchmal hilft es ihnen, wenn sie durch mich Kontakt zu einer Mutter-Kind- oder Frauengruppe bekommen und sich regelmäßig mit anderen austauschen können. Und sie wünschen sich eine Zeit zur Erholung", sagt Frau Kittner. "Unser Gespräch hier in der Beratung ist eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Kur. Eine Frau, die die Beratungsstelle eines Trägers des Müttergenesungswerkes wie der Caritas aufsucht, findet sich bei einer Kur schneller zurecht: Sie weiß, dass es dabei um einen ganzheitlichen, Leib und Seele betreffenden Prozess geht."
Neben der Kurvermittlung -bei der nicht selten langer Atem gefragt ist, weil die Anträge oft zunächst abgelehnt werden -berät die Sozialarbeiterin in Zusammenarbeit mit Netzwerk Leben in Fragen von Schwangerund Mutterschaft. Sie hilft Zuschüsse beantragen, vermittelt ehrenamtliche Hilfe, gibt Tipps. Petra Kittner bietet darüber hinaus auch Allgemeine soziale Beratung an, wobei sie auch in diesem Bereich oft mit den Problemen von Frauen und Familien konfrontiert ist: "Zu mir kommen Menschen mit Schulden, Leute, die Probleme mit der Erziehung ihrer Kinder haben, Eltern, die eine Möglichkeit suchen, einmal im Jahr für 14 Tage der eigenen Erholung ihr behindertes Kind in Obhut geben zu können", sagt Frau Kittner. "Ich höre jede mit ihren Anliegen an, nehme sie ernst. Und dann schaue ich, was ich tun kann. Bei manchen Dingen kann ich selbst helfen, bei anderen vermittle ich zu Fachdiensten, Ärzten."
Die gebürtige Zwickauerin hatte zunächst den Beruf einer Goldschmiedin gelernt. Doch ideologische Überwachung in der DDR und die Suche nach einer Tätigkeit im kirchlich-karitativen Raum ließen die junge Frau ihre Anstellung aufgeben. 1977 -vor gut 25 Jahren -begann sie ihren kirchlichen Dienst im Heim für behinderte Mädchen in Wernsdorf. Im Anschluss war sie Aspiranturleiterin im Altersheim Seelingstädt und dann Praktikantin in der Dekanatsfürsorge in Zwickau. Am Ende beschloss sie, die Ausbildung zur kirchlichen Fürsorgerin zu begeginnen. "Es war eine bewusste Entscheidung für den kirchlichen Dienst. Schließlich war die Ausbildung ja staatlich nicht anerkannt", sagt Petra Kittner. Im Seminar für den kirchlich-karitativen Dienst lernte sie ihren Mann Ewald kennen. Ihr Anerkennungsjahr nach der Ausbildung absolvierte die junge Fürsorgerin bei der Stadtcaritas Magdeburg. "Oft ging es darum, die begehrten Altenheimplätze im neuen Bischof-Weskamm- Haus gerecht zu vergeben", erinnert sie sich. 1981 wurde ihr Mann Fürsorger im Dekanat Stendal, Kittners zogen in die Altmark. Da das erste Baby kam, schied Frau Kittner aus der Berufsarbeit aus und nahm diese erst 1989 wieder auf, "als das dritte Kind alt genug war, den Kindergarten zu besuchen". Seitdem hat die Sozialarbeiterin eine 25-Stunden-Stelle.
Neben Beruf und Familie ist sie ehrenamtlich in der Pfarrei engagiert, war Pfarrgemeinderatsmitglied, hat schon Firmunterricht mitgestaltet oder als Kirchenvorstandsmitglied in Anliegen der Gemeinde "Kontakte zu den richtigen Leuten geknüpft".
Aber auch dienstlich herrscht ein gutes, selbstverständliches Miteinander zwischen Seelsorge und Caritas im Dekanat Stendal, wofür Frau Kittner sehr dankbar ist. "Ich bin auch heute noch gern in meinem Beruf", sagt Frau Kittner ohne Zögern. "Ich habe den Schritt in den kirchlichen Beruf nicht bereut."
Eckhard Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 30.01.2003