In die Ehe mit gemeinsamen Abendmahl?
Peter Neuner schlägt in Dresden Modell für ökumenische Einheit vor
Dresden -Bislang halten evangelische und katholische Kirche ein gemeinsames Abendmahl, beispielsweise auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin, für ausgeschlossen. Der Münchener Theologieprofessor Peter Neuner sieht dennoch eine Möglichkeit dafür: Bei der Ehe zwischen einem evangelischen und einem katholischen Partner. Eine konfessionsverschiedene Ehe realisiere gemäß der katholischen Lehre eine "zumindest partielle Kirchengemeinschaft", erklärte Neuner auf der ersten gemeinsamen Veranstaltung des katholischen Kathedralforums und des evangelischen Hauses der Kirche in Dresden.
Er berief sich dabei auf die Überzeugung, dass eine Einheit bestehe zwischen gemeinsamer Feier des Herrenmahls (Eucharistie) und Gemeinschaft der Kirche: "Wo die Kirche ist, dort werden die Sakramente gefeiert, wo die Sakramente gefeiert werden, ist Kirche." Durch Taufe, Gemeinschaft im Wort, im Bekenntnis und im Dienst bestehe zwischen den christlichen Kirchen bereits eine "wahre, wenn auch nicht vollkommene Gemeinschaft". Zudem sei in vielen ökumenischen Kreisen inzwischen eine kirchlich bedeutsame Gemeinsamkeit verwirklicht.
Die Ehe nun, so argumentierte Neuner, sei nach katholischem Verständnis Sakrament, daher verwirkliche sich in ihr Kirche. Auch in der konfessionsverschiedenen Ehe. Wenn Eucharistiegemeinschaft und Kirchengemeinschaft zusammengehörten, dann verlange die konfessionsverschiedene Ehe die "Gemeinschaft im Herrenmahl", denn sie vollziehe Kirche, nicht Kirchenspaltung. In Ehen, wo die Partner ihre christliche Existenz bewusst lebten, kämen beide "jeweils in eine geistliche Gemeinschaft mit der Kirche ihres Partners", was den Ausschluss vom Herrenmahl als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lasse. Diese Argumentation öffne einen Weg, wie die katholische Kirche "in Treue zu ihren dogmatischen Grundsätzen" die Trennung im Herrenmahl überwinden könne.
Möglich seien auch andere Wege zu einem Maß an Kirchengemeinschaft, das Eucharistiegemeinschaft legitimiere. Allgemeine Verbote würden dabei den konkreten Situationen nicht gerecht. Unverzichtbar sei der "Appell an die verantwortliche Gewissensentscheidung".
Peter Neuner sieht in der Unklarheit über die Zielvorstellung der Ökumene, also der Einheit aller christlicher Konfessionen, die wichtigste Ursache für das Ausbleiben praktischer Schritte der Kirchen aufeinander zu. "Das Problem der Zielvorstellungen ist zum vielleicht zentralen ökumenischen Problem geworden", sagte er auf einem Ökumenischen Forum in der Technischen Universität Dresden. Als Modell möglicher ökumenischer Einheit der Konfessionen nannte er das der "Koinonia" (griechisch für "Gemeinschaft"). Mit diesem Begriff bezeichnete er eine Gemeinschaft in Vielfalt. "Kirche kann nur in Vielfalt und Dialog, als Einheit in Gemeinschaft leben, jeder ist auf den anderen verwiesen, lebt auf ihn hin und durch ihn." Dialog und Gemeinschaft seien nicht nur Organisationsform oder Methode, sondern konstituierten das Kirche-Sein selbst.
Dieses Prinzip müsse auch das Verhältnis der Ortskirchen bestimmen, so Neuner. Jede Ortskirche stehe dann in Beziehung mit anderen, sie bildeten ein Geflecht, in dem jede Kirche von jeder anderen empfange und ihr gebe. Für die ökumenischen Beziehungen der Kirchen sei dieses Modell denkbar, wenn die Konfessionen sich als "Teilkirche der universalen Kirche" verstünden. Zielvorstellung sei jedoch nicht eine organisatorische Universalkirche, "sondern eine Gemeinschaft von Kirchen, von denen jede im vollen Sinn das Kirche-Sein realisiert und darin von allen anderen anerkannt wird und in ihrer Bezogenheit auf die anderen Orts- oder Teilkirchen die universale Kirche konstituiert".
Tomas Gärtner
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 06.02.2003