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"Jesus für Atheisten"

Zum Tod von Milan Machovec

Nicht oft geschieht es, dass aus Buchtiteln geflügelte Worte werden. Mit seinem Band "Jesus für Atheisten" gelang dem 1925 geborenen Tschechen Milan Machovec solch ein seltener Erfolg. "Die Lehre Jesu setzte die Welt in Brand nicht wegen irgendeiner Überlegenheit des theoretischen Programms, sondern weil er selbst identisch war mit diesem Programm", schrieb der unorthodoxe Marxist 1972 in seinem berühmtesten Buch.

Um diese Identität von Existenz und Lehre ging es Machovec selbst zeitlebens. Bereits 1964 wandelt der Philosophieprofessor darum sein Institut für marxistische Religionskritik in ein "Dialogisches Seminar" um und sucht das Gespräch mit christlichen Theologen und jüdischen Gelehrten. Im Jahr 1968 avanciert der Verfechter des Dialogs in seiner Heimatstadt zum Berater der Regierung Dubcek und gilt bald als "Vordenker des Prager Frühlings". Desto härter trifft den reformorientierten Professor nach Niederschlagung der Demokratiebewegung der Bannstrahl der kommunistischen Orthodoxie: Er erhält Lehrverbot und wird ständig überwacht.

Nicht ohne Bewegung erfährt man aus dem 1999 erschienenen letzten Buch von Milan Machovec "Die Frage nach Gott als Frage nach dem Menschen", wie der Verfolgte sich seinen Lebensunterhalt als Organist an einer Prager Kirche verdienen muss und dabei vom katholischen Pfarrer vor der Staatssicherheit geschützt wird. Wie eng das Schicksal des atheistischen Gottsuchers mit der Zeitgeschichte verknüpft ist, zeigt auch seine Präsenz bei dem 1986 von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und dem Vatikan in Budapest veranstalteten Symposium "Gesellschaft und ethische Werte". Es dürfe als "größtes und wichtigstes Ereignis im Rahmen des christlich-marxistischen Dialogs" gewertet werden, so der Erfurter Theologe und Philosoph Konrad Feiereis. Dass sich offizielle Vertreter sozialistischer Staaten dabei erstmals für eine "weltanschauliche Koexistenz" mit dem Christentum aussprachen, war Vorzeichen für eine tief gehende gesellschaftliche Verschiebung.

Machovec konnte diesen politischen Wandel in Ost- und Mitteleuropa selbst begleiten und wurde nach der "samtenen Revolution" in seiner Heimat voll rehabilitiert: Noch 1989 erhielt er seinen Prager Lehrstuhl an der philosophischen Fakultät zurück.

Es waren Menschen wie Milan Machovec, der jetzt im Alter von 77 Jahren gestorben ist, die anders Denkenden eine Chance gaben, den Dialog einzuüben und ihnen Mut machten, ihren Glauben zu leben.

Thomas Brose

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 6 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 06.02.2003

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