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Bistum Görlitz

Den Glauben öffentlich bekennen

Hanna-Renate Laurien sprach im Cottbuser Akademieforum über die Religion in der Gesellschaft

Hanna- Renate Laurien: 'Machen wir unsere Kirchen zu Orten der Begegnung.'

Cottbus (ks) -"Es ist ein unbändiges Glücksgefühl, dass man Glauben kann, trotz mancher dunkler Stunden", sagt Hanna- Renate Laurien beim Cottbuser Akademieforum des Monats Februar. Die engagierte und streitbare Frau des katholischen öffentlichen Lebens stellt sich im vollbesetzten Saal des St.-Johannes- Hauses einigen "Fragen zur Liturgie und Religion in einer säkularisierten Gesellschaft". Mit Konzept, aber auch spontan mitten aus dem Leben reiht die frühere Berliner Schulsenatorin und Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses Beispiele gelebten Christentums aneinander. Ihre Frage: "Warum tun wir uns so schwer mit dem öffentlichen Bekenntnis des Glaubens?" Sie nennt ein Beispiel von dem arabisch aussehenden Menschen mit der Gebetsschnur in der Hand an der Kasse des Supermarktes. Wenn das auch nicht unserer Mentalität entspräche, so gäbe es doch genügend andere Möglichkeiten Stellung zu beziehen, so lauten ihre Worte.

Als Chance nennt Laurien die Feiern anlässlich einer Taufe, Trauung, eines Begräbnisses oder etwa die "Feiern zur Lebenswende" in Erfurt. Wie dort nicht Glaubende Kirche erleben, sei mitunter von großer Tragweite: "Erfahren die Teilnehmer da etwas von der unendlichen Liebe Gottes oder ist es nur eine Alibifeier?" fragt Laurien. "Was wir glauben, müssen wir auch bekennen".

Sie spricht vom öffentlichen Druck auf den heutigen Menschen, in Beruf und Gesellschaft immer vollkommen zu sein. Selbst bis hinein in die Ehe rage der Druck, was dann zu immer neuer Partnersuche führe, um die Vollkommenheit zu finden. "Wir sagen ja zur Unvollkommenheit, obwohl auch wir nach den erfüllten Augenblicken streben", so Laurien. Beindruckend zitiert sie Katharina von Siena: "Gott gibt keinem alles, aber jedem etwas, damit ihr erfahrt, dass ihr einander bedürft."

Ein besonderes Anliegen ist der früheren Lehrerin die heutige Jugend: "Ich bin von der Jugend begeistert", sagt sie. Als sie einmal bei einem Schulmeeting wegen heftigem Applaus nach dessen Grund fragte, kam damals als Antwort: "Nee, wir teilen nicht Ihre Meinung, aber Sie haben sich ehrlich geäußert!" Hanna-Renate Laurien nennt das "fabelhaft", weil die Jugend immer auf der Suche ist. Einer Studie zufolge bejahen 61 Prozent den Glauben und gleichzeitig das Selbstständigmachen und in einer anderen Frage finden 78 Prozent Treue wichtig.

Auch auf das politische Engagement der Christen geht sie ein: "Wir, die Kirche, müssen öffentliche Diskussionen führen. Und wenn die Politik schlecht ist, müssen wir in die Politik gehen. Aber nicht einer allein: Besser gleich zehn! Auf dem Sofa sitzen und schimpfen bringt nichts."

Besonders hebt die ehemalige Berliner Schulsenatorin die Einlassung der Kirche und einzelner engagierter Vertreter auf die biomedizinische Diskussion hervor: "Wenn ich einen Embryo auf wertvolle Eignung untersuche und auswähle, reduziere ich den Menschen auf Nutzen. Ich benutze Menschen, um einem anderen ein etwas längeres Leben zu ermöglichen." Sie nennt es "toll", was da die Kirche in punkto Sozialethik sagt und meint: "Und die Kirche wird gehört!"

In Berlin hat sich Laurien für die Einrichtung des "Raumes der Stille" im Brandenburger Tor eingesetzt. "Wenn ich nur den Nutzen suche, wo bleibt da die Stille, die Zeit zu sich selbst zu finden?" sagt sie und betont, dass man in einem solchen Raum nur schweigen müsse. Dem säkularisierten Menschen aber falle das schwer. In die gleiche Richtung geht ihre Einschätzung der Pisa- Studie. Die frühere Lehrein bemängelt, dass dort nur das abfragbare Wissen untersucht wurde. Musik, Empfindungen, Psyche des Menschen blieben außen vor: "Wir Christen schauen auf Sinn stiftende Dinge".

Weil Kirche mehr zu bieten hat als nur abstraktes Wissen, und die Botschaft Christi nicht auf Nutzdenken ausgerichtet ist, forderte sie die Zuhörer auf: "Machen wir unsere Kirchen zu Orten der Begegnung. Menschen wollen in allen Lebenssituationen angehört werden. Hören wir zu. Überall gibt es Fangemeinden. Warum nicht bei uns? Lassen wir die Zufallsbesucher bei uns etwas erleben von der Liebe Gottes."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 12.03.2003

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