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Aus der Region

Davon lebt die Gesellschaft

Bischof Nowak im Interview zum Ehrenamt

Bischof Nowak
Welche Bedeutung hat das Ehrenamt für die kirchliche Arbeit im Bistum?
Zunächst, das Wort "Ehrenamt" gibt nur sehr unscharf wider, worum es geht. Es erweckt den Anschein, es handle sich um eine Art Luxus, vielleicht sogar Überflüssiges oder auch Nicht-Profi-Mäßiges. Ich denke, ohne Ehrenamt ist Kirche eigentlich nicht Kirche. Christsein kann nicht bezahlt werden. Das Tun um der guten Sache willen, ohne Bezahlung, aus Einsicht in Notwendigkeiten und aus Liebe zum Mitmenschen ist der Gradmesser christlichen Glaubens schlechthin. Je mehr Christen sich auf diese Weise immer neu engagieren, desto deutlicher wird das Zeugnis eines gelebten, frohen und ermutigenden Glaubens.
Oft ist zu hören, dass die Bereitschaft zum Ehrenamt schwindet. Stimmen Sie dem zu?
Nein. Sicher hat sich einiges verändert. Eine fest strukturierte Arbeit in Verbänden ist zum Beispiel nicht mehr so gefragt wie noch vor wenigen Jahrzehnten. Sicherlich ist das ein Problem. Ich sehe aber eher einen Wandel in der Auffassung vom gemeinnützigen Handeln als einen generellen Abschied von der menschlichen Solidarität, auch wenn man schnell geneigt ist, dem Pauschalurteil von der egoistischen Gesellschaft zuzustimmen.
Viele unserer Gemeindemitglieder sind zum Engagement bereit, besonders wenn es um ganz konkret umschriebene Aufgaben geht. Dafür bin ich sehr dankbar. Gerade jüngere Leute wollen jedoch wissen, worauf sie sich einlassen. Oft werden Aufgaben nicht konkret genug benannt, der zeitliche Aufwand zum Beispiel nicht deutlich gemacht. Das kann mitunter unnötige Durststrecken aufbauen. Verbandlicher Verwaltungsalltag mit Satzungs- und Strukturdiskussionen lähmt eher die Bereitschaft, als sie zu fördern. Wer um ehrenamtliche Tätigkeit wirbt, muss das berücksichtigen.
Was sollte - auch außerhalb der Kirche - geschehen, um das Ehrenamt zu fördern?
Zunächst sollte die Gesellschaft wieder verstärkt wahrnehmen, dass längst nicht alle Aufgaben in einer halbwegs funktionierenden Gesellschaft bezahlbar sind! Eigentlich sind wesentliche Grundvollzüge unseres Lebens auf eine persönliche Beziehungsebene angewiesen und nicht auf eine Geschäftsebene. Organisationen, die soziale Dienste hauptamtlich anbieten, sind stets als subsidiäre, ergänzende Einrichtungen zu verstehen. Sie sollen mit großem Sachverstand und einer positiv verstandenen Professionalität dort eingreifen, wo Menschen in ihrem Tun überfordert sind.
Ein gutes Beispiel ist für mich das im Bistum Magdeburg neu gegründete "Netzwerk Leben ... eine offene Initiative der katholischen Kirche". Hier geht es um ganz konkrete Hilfe für Frauen in Schwangerschaftskonflikt-Situationen. Ohne diese netzwerkartige Hilfe vieler ehrenamtlicher Frauen und Männer ist diese Aufgabe nicht ansatzweise zu lösen, zum Beispiel bei der Organisation von Alltagshilfen, sozialen Kontakten, "Leih-Omas", beim Begleiten zu Behörden, beim Lösen finanzieller Probleme oder dem Beschaffen angemessenen Wohnraums und der Suche nach einem Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung.
Findet das Ehrenamt in der Gesellschaft genug Anerkennung?
Das Ehrenamt bedarf auch einer Ehrung - eben einer Anerkennung. Zuweilen gewinnt man bei der öffentlichen Beurteilung den Eindruck, als handele es sich bei Ehrenamtlichen um Leute, die "sonst nichts zu tun haben". Das ist unfair und wird dem Anliegen nicht gerecht. Auch geht es nur sehr selten um eine kalkulierte oder erwartete Anerkennung. Eine stärker öffentliche Würdigung halte ich für unverzichtbar, denn sie ist Anerkennung und Motivation zugleich. In einer Zeit, in der angeblich keiner mehr Zeit hat, ist es wichtig und beispielgebend, Menschen zu erfahren, die neben ihrem Beruf oder ihren sonstigen Alltagsaufgaben unentgeltlich für andere Menschen da sind. Davon lebt eine menschenwürdige Gesellschaft.

Fragen: Thomas Lazar

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 4 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.01.2001

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