Kein Geld für Integration der Aussiedler
Nach Caritas-Zentrum in Schönebeck steht auch Caritas-Aussiedlertreff Magdeburg vor dem Aus
Magdeburg / Schönebeck -Elisabeth Pfeiffer stammt aus Semipalatinsk in Kasachstan. Mit ihrem Mann, drei ihrer vier Töchter und deren Familien kam die heute 67-Jährige Deutschstämmige 1997 nach Magdeburg. Seitdem lebt sie im Stadtteil Olvenstedt. Gemeinsam mit Olga Jusmann, Valentina Porvatova und anderen Aussiedlern, aber auch mit angestammten Magdeburgern trifft sich Frau Pfeiffer regelmäßig im Caritas-Aussiedlertreff in Magdeburg-Olvenstedt.
"Zweimal im Monat am Mittwochvormittag kommen wir hier zusammen, um uns gegenseitig Gerichte vorzustellen, miteinander zu kochen und zu essen", sagt Frau Pfeiffer. "Wir nehmen aber auch an Nachmittagsveranstaltungen teil: Mal kommt von der Polizei jemand, um uns mit gesetzlichen Dingen bekannt zu machen, mal spricht eine Krankenschwester über Gesundheitsvorsorge. Von den Mitarbeitern bekommen wir Hilfe im Umgang mit Ämtern. Auch Feste wie etwa Fasching feiern wir gemeinsam. Und Ausflüge haben wir auch schon gemacht."
Nicht nur Aussiedler nutzen den Caritas-Treff -und das ist im Sinne einer Integration der Deutschstämmigen durchaus gewollt: Auch angestammte Magdeburger kommen und schwören auf die Einrichtung: "Hier ist für jeden etwas dabei", sagt die 71- jährige Käthe Wiese, die sich regelmäßig mit einigen der Aussiedler trifft, weil sie die Begegnung mit den anders geprägten Deutschen reizt. "Hier gibt es Angebote für uns Alte, aber auch für die Jugend", sagt Frau Wiese. "Schauen Sie: Die Kinder basteln, die Jugendlichen können im Internet surfen, bekommen Hilfe bei den Hausaufgaben. Die machen was Vernünftiges und sind von der Straße weg. Hier ist echt was entstanden. Wenn die Einrichtung aufgelöst wird, ist das ein Trauerspiel."
"Schließung wäre ein Trauerspiel"
Damit spricht Frau Wiese die voraussichtliche Schließung des Aussiedlerzentrums im Gemeindehaus der Olvenstedter Pfarrei St. Josef Ende August an. Denn der Aussiedlertreff in Trägerschaft der Diözesan-Caritas Magdeburg ist ein auf drei Jahre befristetes gemeinwesenorientiertes Projekt, das zu 90 Prozent vom Bundesinnenministerium und zu zehn Prozent vom Caritasverband finanziert wird und im Sommer ausläuft. Mit derartigen Projekten und der damit verbundenen Anschubfinanzierung will der Bund die Kommunen anregen, mehr für die Integration von Aussiedlern zu tun.
Während die Caritas bereit ist, weiter zehn Prozent zur Finanzierung beizutragen, ist eine Fortführung durch die Stadt Magdeburg nicht in Sicht. Ein vergleichbares Projekt, das Caritas- Aussiedler- und Jugendzentrum in Schönebeck, wurde am 28. Februar ersatzlos geschlossen. "Wir haben kein Geld, eine solche für den Landkreis freiwillige Aufgabe zu finanzieren", sagt die zuständige Leiterin des Rechts- und Ordnungsamtes des Landkreises Schönebeck, Christiane von Wagner, und verweist auf die vorhandenen Beratungsstellen für Aussiedler und Migranten. Für die Jugendlichen bestehe im Wohngebiet der Aussiedler ein Jugendclub. Darüber hinaus sei geplant, im Übergangswohnheim mehr Angebote für Aussiedler zu machen.
Auch die Leiterin des Amtes für Aussiedler, Asylbewerber und Zuwanderer in Magdeburg, Dr. Ursula Jäger-Arndt verweist auf leere Geldtöpfe. Die Aussiedlerintegration sei eine freiwillige Aufgabe. Für die Finanzierung einer Personalstelle im Caritas-Aussiedlertreff stünden keine Mittel zur Verfügung. Zudem seien die Aussiedler "Deutsche mit allen Rechten und Pflichten". Der Caritas, deren bisherige Arbeit in Olvenstedt sie durchaus schätzt und für nötig hält, empfiehlt Frau Jäger- Arndt, beim Bundesinnenministerium ein neues Integrationsprojekt zu beantragen, eine Unternehmung, die der zuständige Referent für Aussiedlersozialarbeit und Auslandshilfe beim Diözesan- Caritasverband, Jan Kiehl, für illusorisch hält, da der Bund keine Anschlussfinanzierungen genehmige, sondern höchstens ein anderes Projekt.
Viele Aussiedler können kaum Deutsch
Darüber hinaus verweist die Magdeburger Amtsleiterin die Caritas auf die Möglichkeit, ABM-Kräfte zur Fortsetzung der Arbeit im Aussiedlertreff zu beantragen, räumt aber ein, dass dies nur begrenzt Sinn mache: "Wenn sie nach einem halben Jahr eingearbeitet sind, müssen sie die Stelle wieder räumen."
Derzeit kommen rund 330 Aussiedler pro Jahr nach Magdeburg, an die 100 nach Schönebeck. Viele Aussiedler, auch Akademiker, sind arbeitslos. Sie können mit ihren Qualifikationen aus Russland und Kasachstan nichts anfangen. Viele haben Sprachprobleme. Die Zahl derer, die gut deutsch sprechen, wird geringer. "Erst nach zirka einem halben Jahr haben die Aussiedler in Magdeburg die Möglichkeit, einen ganztägigen Deutschkurs zu besuchen", sagt Aussiedlertreff- Koordinator Alexander Haase. "Das ist einfach zu spät. Denn am Anfang ist die Motivation am größten." Deshalb biete der Treff für Jugendliche, für erwachsene Anfänger und für Fortgeschrittene Kurse (wöchentlich eineinhalb bis zwei Stunden) an, verbunden mit dem Rat, auch an anderen Angeboten teilzunehmen, um Deutsch zu lernen. "Die Kurse sind voll", sagt Haase "Neben Angeboten nur für Aussiedler gibt es auch solche, zu denen Aussiedler und Einheimische willkommen sind. Ziel ist es, sie miteinander in Kontakt zu bringen. Zudem würden die Leute ermutigt, bei Angeboten anderer Anbieter mitzumachen.
"Die Stadt müsste von Anfang an an einem Projekt wie unserem auch finanziell beteiligt sein", empfiehlt Haase. "Dann würde sie vielleicht auch stärker an der Fortführung solcher Einrichtungen interessiert sein und sich mehr in die Integrationsarbeit mit einbringen."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Samstag, 22.03.2003