Auch Katholiken bei Demo gegen Fremdenhass
10000 Cottbuser fordern Toleranz
Cottbus - "Es wäre schön, wenn Sie heute an der Demonstration für Toleranz und gegen Ausländerfeindlichkeit teilnehmen würden." Peter Kossatz warb nach der Sonntagsmesse in der Christuskirche bei anderen Gottesdienstbesuchern für den Protestmarsch, zu dem die evangelische Kirche, die Initiative "Cottbuser Aufbruch" und das Brandenburger Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit aufgerufen hatten. Auch die katholischen Geistlichen baten die Gläubigen in der Christus- und in der Marienkirche am Ende der Vormittagsgottesdienste, sich zu beteiligen.
Rund hundert Mitglieder der beiden katholischen Gemeinden folgten der Aufforderung. Diözesanjugendseelsorger Kaplan Bosco Marschner war mit dabei, außerdem eine größere Gruppe afrikanischer Studenten, die jeden Sonntag zum Bild der Mariengemeinde gehören. Einzelne von ihnen wurden schon in der Stadt angepöbelt. Clemensschwester Christel nahm ebenfalls an der Demonstration teil. Sie alle gingen dem Zug entgegen, der sich an einen Mahngottesdienst in der evangelischen Oberkirche anschloss und bis zur Gedenktafel für die Neue Synagoge führte, die die Nazis in der so genannten Reichskristallnacht niedergebrannt hatten.
Insgesamt, so schätzt die Polizei, gingen rund 10 000 Menschen bei dem bisher größten Protestmarsch seit der Wende auf die Straße. Einige trugen eilig gefertigte Transparente bei sich mit Aufschriften wie "Stoppt den Naziterror" oder "Das ist unsere Stadt". Die Idee für diese Demonstration war entstanden, nachdem in den ersten Januartagen eine Gruppe junger Männer in der Straßenbahn neonazistische Parolen gegrölt und anschließend fünf Menschen, darunter einen Libanesen und einen Ukrainer, mit Fäusten und Fußtritten angegriffen hatte. Nach einer Todesdrohung gegen ein Cottbuser Ehepaar jüdischer Abstammung war dies bereits der zweite Fall von rechtsgerichteter Gewalt in diesem Jahr.
Generalsuperintendent Rolf Wischnat, der dem Aktionsbündnis vorsteht, sagte bei der Kundgebung, die Lausitz sei "seit Jahrhunderten" ein Land, in dem Sorben, Deutsche und Polen "friedlich miteiander leben". "Wir sorgen mit Mut und Engagement dafür", so Wischnat, dass der "Rote Adler", Brandenburgs Landessymbol, kein hässliches braunes "Entlein" werde. Rechtsextremen Tätern gelte es "Respekt und verstehende Nachsicht" zu verweigern. Sie müssten gesellschaftlich geächtet werden. In Anspielung auf die dritte Strophe des Brandenburg-Liedes "Märkische Heide" sagte der evangelische Theologe: "Bauern und Bürger, Studenten und Kahnfährmänner, Christen und Atheisten, ,Rote Sozis' und ,Schwarze Konservative', wir lassen nicht zu, dass ruchlose Gesellen Schande über unsere Lausitz bringen."
Immer wieder Beifall von der Menge. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) versprach, sich auf Bundesebene mit Gesetzesinitiativen dafür einzusetzen, dass "Nazigewalttäter" schneller in Haft genommen und strenger bestraft werden können.
Klaus Schirmer/tdh
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.01.2001