Langsam kehrt wieder Alltag ein
Nicht alle Flutschäden an Elbe und Mulde behoben, doch die Hilfe greift
Dessau (ep) -Not und Hilfe können dicht beieinander liegen. Nach der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Jahr war das jedenfalls für viele Betroffene glücklicherweise so. Ein Teil der Schäden ist inzwischen beseitigt, musste nicht zuletzt wegen des bevorstehenden Winters schnell behoben werden. Dennoch sind viele Flutopfer noch dabei, Wohnung oder Haus und Grundstück wieder herzurichten. Und es gibt auch Menschen, die nicht die Kraft gefunden haben, neu anzufangen, zum Beispiel einige alte Menschen in Dessau- Waldersee. Den Mut vieler Betroffener, von vorn zu beginnen, ihre Sorge vor neuem Hochwasser und die vielfältig geleistete Unterstützung, zum Beispiel auch durch die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, zeigt folgendes Beispiel:
Martina Thiemicke ist allein stehend. Ihr Mann ist gestorben, die Kinder sind aus dem Haus. Die 52-Jährige wohnt in Dessau- Waldersee in ihrem eingeschossigen Haus unmittelbar am Muldedeich. Und gehörte Mitte August 2002 zu den vom Hochwasser besonders stark heimgesuchten Ostdeutschen. 800 der rund 1000 Einwohner des nach Kriegszerstörungen in Schrebergärten entstandenen "Behelfs"- Stadtviertels waren betroffen. 1,40 Meter standen die Fluten in Frau Thiemickes Wohnräumen. Gebrochen war nicht der Mulde-, sondern ein Elbdeich -eine Katastrophe, wie sie seit Bau der Dämme vor 230 Jahren nicht vorgekommen ist.
"Ich stand vor dem Nichts", sagt Frau Thiemicke. Glück im Unglück: Ihr Sohn Heiko wohnt im zehn Kilometer entfernten Oranienbaum, hilft der Mutter seit der Katastrophe jede freie Minute. Und: Frau Thiemicke besann sich in ihrer Not einer früheren Arbeitskollegin, Barbara Döring. In deren Familie fand sie für mehrere Wochen Quartier. Frau Dörings Ehemann Georg hilft ihr bis in diese Tage. Über Dörings erfuhren auch die Frauen vom Diözesanverband Magdeburg der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) von Frau Thiemicke und ließen ihr 3000 Euro zukommen. Zwar war die 52-Jährige versichert, hat auch Soforthilfe von Bund, Land und Diakonischem Werk bekommen. Das ohne bürokratischen Aufwand von den kfd-Frauen übermittelte Geld war dennoch ein ermutigendes Zeichen und echte Unterstützung für Frau Thiemicke, zumal die gelernte Maschinenbauzeichnerin, die zuletzt eine ABM im Dessauer Bauhaus hatte, seit November 2002 arbeitslos ist.
"Bis jetzt kommen wir durch viel Eigenleistung finanziell zurecht", sagt Sohn Heiko Engelmann auf Nachfrage. "Wir müssen sehen, was uns noch an Spätschäden durch die Nässe und derzeitige winterliche Kälte erwartet." Und dann kommen er und Georg Döring auf die Flut und das nach ihrer und vieler Betroffener Meinung nach Versagen der Dessauer Behörden zu sprechen. Als im Januar 2003 das Wasser erneut bedrohlich zu steigen begann, sei in Waldersee die Angst umgegangen. "Die Deiche sind im Herbst nur notdürftig repariert worden, sie sind nicht normgerecht und über Jahrzehnte nicht gepflegt worden", sagt Ingenieur Döring.
Frau Thiemickes Haus hat inzwischen neue Fenster. Zimmertüren fehlen noch, damit das Mauerwerk austrocknen kann. Zudem hat Döring die Elektrik komplett erneuert. Ein großer Raum der Wohnung ist noch Baustelle. In der Küche fehlt noch Mobiliar, ein Zimmer ist schon recht wohnlich. "Ich konnte mir eine zwar gebrauchte, aber noch gute Schrankwand abholen aus den Altbundesländern abholen. Es wurde dort viel gespendet", sagt Frau Thiemicke. Und: "Bis zum Frühjahr haben wir wieder eine Linie drin. Dann kehrt hoffentlich so langsam wieder der Alltag ein ."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 07.04.2003