"Man kann sein Wissen einbringen"
Am Döbelner Lessing-Gymnasium wird ein Kurs "Jüdische Geschichte und Kultur" angeboten
Döbeln (sl) -Spätestens seit der Pisa-Studie steht es fest: Das deutsche Bildungssystem befindet sich in einer Krise. Das Wissen vieler deutscher Schüler lässt oftmals zu wünschen übrig. Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse des internationalen Vergleichs im Jahr 2001 sind die Verantwortlichen auf der Suche nach neuen Erfolgskonzepten.
Aber schon vor der Studie war vielen Lehrern klar, dass die alten Lehrmethoden, die Kompetenzen streng nach Lehrbuch vermitteln sollen, ausgedient hatten. So auch für Michael Höhme, Deutsch- und Geschichtslehrer am Döbelner Lessing-Gymnasium. "Moderner Unterricht bedeutet für mich, an exemplarischen Gegenständen Methodenwissen zu vermitteln, damit die Schüler zum selbstständigen Lernen befähigt und angeregt werden", sagt er. Alles zu wissen sei unmöglich. Seit vier Jahren bietet Michael Höhme für Schüler der elften Klasse -seit dem Schuljahr 2002 / 2003 auch zweijährig für Schüler der elften und zwölften Klasse -einen Wahlgrundkurs "Jüdische Geschichte und Kultur" an.
Altes Testament ist geschichtliche Basis
"Der Kurs verbindet die Fächer Deutsch, Geschichte und Religion", sagte Höhme. So bilde das Alte Testament die geschichtliche Basis. Zur weiteren Vertiefung lese er mit den Schülern Texte von jüdischen Autoren wie "Hiob" von Joseph Roth oder ausgewählte Kurzprosa von Martin Buber. Der Kurs biete die Möglichkeit, sich tiefgreifender mit einem Thema zu beschäftigen. Am Beispiel der Juden vermittle der Kurs Offenheit gegenüber verfolgten Minderheiten im Allgemeinen, erklärte Höhme. Seine Absicht ist es, den Schülern begreiflich zu machen, wie es zum Judenhass kommen konnte -aber auch, was dazu gehört die Massen gegen eine Gruppe aufzuhetzen. So liege ein Schwerpunkt des Unterrichts in der Judenverfolgung. "Ich möchte das Judentum aber nicht nur unter dem Holocaust betrachten, sondern vor allem auch zurückgehen zu den Ursprüngen des Judenhasses ins Hochmittelalter." Eine weitere Intention sieht der Lehrer darin, das Wissen über jüdische Kultur wieder in die Köpfe zu bringen: "Durch die NS-Zeit ist ein großer Teil der jüdischen Kultur verloren gegangen." Exkursionen, Gespräche und das Internetprojekt, das durch zahlreiche Beiträge der Schüler zu einer guten Informationsquelle zum Judentum geworden ist, lockern den Unterricht auf. So gab es in den vier Jahren Fahrten nach Auschwitz, zum jüdischen Friedhof in Berlin oder nach Krakau. 1999 war sogar der damalige Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, zu Gast am Gymnasium.
Am 27. Januar gewannen fünf Schülerinnen für ihre Fotoserie mit Reisebericht über eine Exkursion nach Auschwitz im Rahmen des Wettbewerbs "Denktag" der Konrad-Adenauer-Stiftung die Teilnahme an einem Seminar in Brüssel. Das Bundeswirtschaftsministerium zeichnete das Internetprojekt im Rahmen des Jugendwettbewerbs Stars@Bytes aus und das Kultusministerium Sachsen verlieh der Schule für den Wahlgrundkurs den Titel "Schule mit Idee 2000".
Auch den Schülern gefällt der Kurs: "Es war eine interessante Erfahrung, die mir viel Hintergrundwissen verschaffte", sagte Julius Erdmann, der den Kurs in der elften Klasse besuchte. "Man kann das Wissen immer wieder einbringen", fügte der 18-jährige hinzu. "Es war interessant, das Brauchtum kennen zu lernen und gute Noten hat man auch gekriegt", meint Corinna Leeser.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 07.04.2003