Warme Mahlzeit für die Armen
Halle: Seit Jahrzehnten kümmern sich Schwestern von der heiligen Elisabeth um sozial Schwache

Halle (sl) -Schon über eine Viertelstunde stehen die ersten Hungrigen vor der Tür eines Seiteneinganges des alten Hauptgebäues des St.-Elisabeth-Krankenhauses, als sich 11.45 Uhr die Tür öffnet und Schwester Celina Lemke von den Grauen Schwestern die Wartenden hereinbittet. Die Menschen nehmen an den gedeckten Tischen Platz, einige falten die Hände. Die Ordensfrau verschwindet in der Küche. Als sie wieder auftaucht, beginnt sie, das Vaterunser zu beten. Viele der Gäste beten mit. Währenddessen füllt eine andere Ordensfrau, Schwester Fidelis Samland, an der Essensausgabe die ersten Teller mit Kartoffeln, Gemüse und einem Steak. Nachdem das Gebet zu Ende ist, serviert Schwester Celina die Mahlzeit und die Gesichter der Menschen blicken dankbar und voller Erwartung auf die Teller.
Seit mehr als zehn Jahren bietet der Elisabeth-Tisch der Schwestern von der heiligen Elisabeth sozial Schwachen und obdachlosen Menschen Mittagessen für einen symbolischen Preis. Aber auch schon vor der eigentlichen Einweihung der Räumlichkeiten am 19. November 1993 hatten sozial Schwache die Möglichkeit, bei den Grauen Schwestern im Krankenhaus eine warme Mahlzeit zu bekommen.
Die Gründung des Elisabeth- Tisches geht auf Schwester Modesta zurück. "Sie wurde in Halle auch die zweite Mutter Teresa genannt", erklärt Schwester Celina. Mit einem Korb sei sie durch die Stadt zu den Armen gegangen, um ihnen etwas zu essen zu bringen. Es sei immer ihr Wunsch gewesen, für Menschen in sozialer Not eine warme Mahlzeit bereiten zu können. "Zur Gründung des Elisabeth- Tisches war sie dann aber schon krank", so Schwester Celina.
Nicht immer geht es in der Einrichtung nur harmonisch zu: Während Musik im Hintergrund die Gespräche der Mittagsgäste begleitet, taucht plötzlich in der Küchentür ein unrasierter Mann auf, der stark nach Alkohol riecht. Sein Blick erinnert an ein Kind, das unbedingt noch einmal Karussel fahren will: "Am Montag kriege ich Geld, dann bezahle ich meine Schulden. Kann ich nochmal so was zu essen kriegen?" Entschlossen verneint Schwester Celina: "Ohne Geld gibt es nichts!" Kaum verschwunden steht der Mann wieder in der Tür und will doch bezahlen. "Plötzlich hat er also Geld," sagt Schwester Celina, als hätte sie es gewusst. "Er will den Euro, den das Essen kostet, sparen, um ihn dann in Alkohol anzulegen", fügt sie hinzu.
Der Elisabeth-Tisch, der sich durch Spenden finanziert, hat an jedem Tag des Jahres geöffnet: "Wir hatten in den ganzen zehn Jahren an keinem einzigen Tag zu", betont die Ordensfrau. In der Anfangszeit seien täglich bis zu 80 Menschen gekommen. "Sonntags waren manchmal sogar über 100 da." Heute kämen um die 60 Leute täglich: "Etliche sind am Alkohol gestorben", sagt die Schwester.
Von Anfang an kümmerte sich Schwester Celina um den Elisabeth- Tisch. "Füher sind die Leute auch außerhalb der Öffnungszeiten unseres Angebotes zum Krankenhaus gekommen und haben nach mir gefragt, wenn sie Probleme hatten", sagt Schwester Celina. So sei ihr nicht mehr viel Zeit für andere Aufgaben geblieben. Seit einem Jahr kommt nun dreimal die Woche eine Sozialarbeiterin der Caritas in die Einrichtung, um die Obdachlosen zu beraten und sie weiter zu vermitteln. "Es ist eine große Hilfe, dass wir Frau Drechsler haben", sagt die Schwester.
Konstanze Drechsler ist Bereichleiterin für soziale und psychologische Dienste bei der Caritas. Beim Elisabeth-Tisch berät sie Obdachlose, vermittelt sie an Beratungsstellen und Einrichtungen weiter und hilft bei Behördenangelegenheiten. "Überwiegend sind es Menschen mit Alkoholproblemen, die obdachlos oder in sozialer Notlage sind", sagt Frau Drechsler. Viele von ihnen seien schon lange arbeitslos, manche vorbestraft. Auch Invaliden- oder Altersrentner mit geringer Rente oder auch psychisch Kranke kommen zum Elisabeth-Tisch. Schwester Celina: "Besonders Weihnachten werden die Herzen der Menschen weich. Dann kommen sie zu uns und wollen reden."
Was Schwester Celina und ihre Mitschwester bei ihrer teilweise undankbaren Aufgabe motiviert? "Ich folge dem Weg der heiligen Elisabeth", so die Ordensfrau. "Elisabeth ist immer für die Armen da gewesen und hat sogar selbst auf Essen verzichtet, um ihnen mehr geben zu können."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 17.04.2003