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Kirche ließ sich Chance nicht entgehen

Zehn Jahre Sozialstationen im Bistum Görlitz

Cottbus - "Wie Pilze schossen Ende 1990 die Sozialstationen aus dem kargen Diasporaboden und unsere ,Bischofskollegen' in den alten Bundesländern fragten damals besorgt, ob wir uns in unserem kleinen Bistum mit neun Caritas-Sozialstationen nicht übernähmen", sagte Bischof Müller rückblickend auf die erste "wilde Zeit" nach der Wende. Allein im November und Dezember 1990 wurden sieben dieser Hilfseinrichtungen in der Diözese gegründet. Mit herzlichen Worten bedankte sich der Bischof sich bei den Schwestern und Altenpflegerinnen für ihren Dienst am Nächsten. Die Kirche ist laut Rudolf Müller berufen, für den ganzen Menschen da zu sein, also für seine Seele und seinen Leib.

Von 150 hauptamtlichen Kräften aus nunmehr acht Stationen im Bistum - zwei kleinere wurden inzwischen zusammengelegt - konnten sich 25 Angestellte für diesen Tag frei nehmen und stellvertretend für alle anderen am 17. Januar im Cottbuser St.-Johannes-Haus das "Zehnjährige" feiern. Aus den unterschiedlichs-ten Ecken des Bistums kamen sie in die Lausitz-Stadt, aus Görlitz, Döbern und Spremberg, Hoyerswerda, Senftenberg, Großräschen, Finsterwalde und Neuzelle sowie aus Cottbus selbst. Ihre Arbeit, so Bischof Müller, sei das Markenzeichen der Caritas schlechthin: "Aus dem Evangelium von der Fußwaschung wissen wir, dass Christus uns ein Zeichen gegeben hat: ,... damit auch ihr tut, wie ich euch getan habe'."

Trotz aller Kritik über immer neue Zwänge wurde während der Festveranstaltung von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, dass es bei einem kirchlichen Pflegedienst nicht in ers-ter Linie um die "Leistungserbringung" oder einen "Erfolgsindikator" gehe, wie es Matthias Schmitt, Personalreferent der Diözesancaritas Cottbus, ausdrückte, sondern um den Menschen. Ingeburg Barden, Leiterin des Referates ambulante Gesundheitshilfen beim Deutschen Caritasverband in Freiburg, zeigte Entwicklungen in Staat und Gesellschaft auf, denen aus kirchlicher Sicht mit Hilfe karitativer Einrichtungen gegenzusteuern sei. Die Politik schaffe Rahmenbedingungen, die sehr wohl dem Menschen dienen könnten, doch die "Gesetze des Marktes" seien alles andere als "sozial". Ingeburg Barden stellte heraus, dass inzwischen zwar ein flächendeckendes Netz an geprüften Pflegekräften bereitstehe, die Kirchengemeinden mit ihren ehrenamtlichen Gliedern aber nicht ganz in den Hintergrund treten dürften. Wenn durch den Zeit- und Kostendruck "ethische Belange auf der Strecke bleiben", seien die Mitarbeiter der Caritas-Sozialstationen aufgefordert, "Mitmenschlichkeit erlebbar zu machen".

Als Ingeburg Barden auf die "Zerreißprobe" zu sprechen kam, der die Pflegekräfte bei ihrer Arbeit ausgesetzt seien, stimmten ihr die Zuhörer mit heftigem Kopfnicken zu. "Das ist uns aus dem Herzen gesprochen", meinte beispielsweise Christa Stoppe, Leiterin der Caritas-Sozialstation St. Elisabeth in Finsterwalde. Mehrmals unterstrich die Festrednerin die Bedeutung christlicher Werte in der häuslichen Pflege. Hinwendung, Glaubwürdigkeit und Vertrauen dürften nicht der Wirtschaftlichkeit geopfert werden. Ingeburg Barden wörtlich: "Die Kirche sollte sich diese Chance zu wirken nicht entgehen lassen!" Gut eine halbe Million Menschen befinden sich in Deutschland zurzeit in stationärer Pflege, weitere 1,35 Millionen werden zu Hause betreut.

Die Anfänge der Caritas auf dem Gebiet der heutigen Diözese Görlitz nach dem Krieg, die Schwierigkeiten unter "sozialis-tischen" Bedingungen, schließlich die Übernahme der Caritasverbandsstrukturen ab 1990 beleuchtete "Alt-Caritasdirektor" Pfarrer Hans Joachim Wagner. Schwester Hildegard Nowak, die die Großräschener Caritas-Sozialstation St. Martin seit deren Gründung 1990 leitet, ging speziell auf die Entwicklung dieser Einrichtung ein. Anfangs arbeiteten dort nur drei Pflegekräfte. Bei einem "Kennenlernaufenthalt" in Ludwigshafen sei dann die Erkenntnis gereift: "Was die können, können wir auch." Heute besteht das Team aus 26 Frauen und Männern - aus Ordensschwestern, Altenpflegerinnen, Hauswirtschaftshilfen und Praktikanten für Altenpflege sowie aus einer Verwaltungskraft, einer Sozialarbeiterin, einem Zivildienstleistenden und einer Jugendlichen, die dort ihr "Freiwilliges Soziales Jahr" leistet. Nach einigen Ortswechseln in Großräschen bezog die Sozialstation vor drei Jahren ein neu gebautes Haus. Schwester Hildegards Resümee ihrer beruflichen Tätigkeit: "Es ist nicht nur ein Job, es ist Einsatz für den Dienst am Nächsten."

Klaus Schirmer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 4 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.01.2001

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