Für die Armen im Bistum Magdeburg
Erkenntnisse aus dem Caritas-Jahresthema 2000
Magdeburg (dw) - Eine beträchtliche Zahl von Bürgern in Deutschland hat weniger Geld zur Verfügung als den Sozialhilfesatz. Bei den sozial Schwachen wächst die Hemmschwelle, ihre Lage offenkundig zu machen, zumal der Stellenwert des Geldes in den letzten Jahren in Ost- und Westdeutschland erheblich zugenommen hat. Mit seinem Jahresthema "Und die Armen?" hat der Caritasverband diese Tatsachen im zurückliegenden Jahr ins öffentliche Bewusstsein gerückt.
"Wenn man die für das Bundesgebiet hochgerechneten Zahlen ins Verhältnis setzt zur Zahl unserer Kirchenmitglieder, müsste es auch in jeder Pfarrgemeinde unseres Bistums ungefähr 42 Menschen geben, die in so genannter verdeckter Armut leben", sagt Klaus Skalitz, seit Mai 2000 Abteilungsleiter für Sozialarbeit beim Magdeburger Diözesan-Caritasverband. Hinzu kämen diejenigen, deren Einkommen nur geringfügig über der Sozialhilfegrenze liegt, so dass Ereignisse wie die Geburt eines Kindes, der Verlust eines Arbeitsplatzes oder eine Erkrankung ihre wirtschaftliche Existenz gefährden. Genauere Erkenntnisse und Zahlen sind von Armuts- und Reichtumsberichten zu erwarten, die für die Bundesrepublik im Frühjahr 2001, für Sachsen-Anhalt im Herbst 2002 veröffentlicht werden sollen.
"Wenn es in unseren Gemeinden aller Wahrscheinlichkeit nach Menschen gibt, die sich - ohne dies zugeben zu wollen - finanziell erheblich einschränken müssen, sollten wir Christen uns stärker auf diese Situation einstellen", sagt Klaus Skalitz. Unter den Mitarbeitern des Caritasverbandes hat er das Gespräch in den vergangenen Monaten immer wieder auf dieses Thema gelenkt.
Da an erster Stelle Familien mit Kindern von verdeckter Armut betroffen seien, wäre es beispielsweise sinnvoll, die Kosten von Freizeiten, Erstkommunion-Vorbereitungsfahrten und ähnliche Gemeindeaktivitäten von vornherein sehr niedrig zu planen. Dies sei vielerorts noch nicht üblich. Zwar werde das Angebot unterbreitet, finanziell schwächere Familien zu unterstützen, aber Armut verstecke sich eben. Auch in den Schulen könnten sich christliche Eltern dafür einsetzen, dass Klassenfahrten nicht unbedingt an die entferntesten und teuersten Ziele führten.
In den Caritas-Beratungsstellen sollte Skalitz zufolge beispielsweise offensiver über Unterstützungsmöglichkeiten des Sozialhilferechts informiert werden. Manchen Rat Suchenden ist oft gar nicht bekannt, welche staatlichen Hilfen es gibt und worauf sie Anspruch haben.
Das Engagement für die Armen gehöre zu den wesentlichen Lebensvollzügen der Gemeinden. Das Bewusstsein dafür sei in Kirche und Caritas in letzter Zeit wieder gewachsen, freut sich der Caritas-Abteilungsleiter. Es sollte künftig stärker Aufgabe der verbandlichen Caritas sein, für Not zu sensibilisieren und die Gemeinden mit Erfahrung und Fachkenntnis in ihrer Hinwendung zu Not leidenden zu unterstützen.
Ein positives Beispiel der Zusammenarbeit von Gemeinden und Caritas kann Klaus Skalitz aus dem Dekanat Halberstadt berichten, wo er bis vor kurzem als Sozialarbeiter tätig war. Dort ist ein ehrenamtlich verwalteter Solidaritätsfonds entstanden.
Eine Gemeinde hatte den Caritasverband vor einiger Zeit um Unterstützung gebeten, weil sie sich mit einer Notsituation finanziell überfordert sah: Ein arbeitsloser Familienvater benötige einen Kredit für den Kauf eines Autos, um eine vielversprechende Arbeitsstelle in einer entfernten Stadt antreten zu können.
Die Caritasmitarbeiter halfen bei der Erarbeitung einer Konzeption für den Solidaritätsfonds, überließen die weitere Umsetzung dann aber der Gemeinde und später dem ganzen Dekanat.
Für die Caritasberater sei es in vielen Fällen hilfreich, wenn sie auf Ressourcen aus den Kirchengemeinden zurückgreifen könnten, um ihren Klienten bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. Für die Berater sei es wichtig, die Gemeinden gut zu kennen, um im entscheidenden Fall zum Beispiel zu wissen: Wo gibt es eine gut funktionierende Jugendgruppe, zu der ein junger Mann gehen könnte, der Halt und Gemeinschaftserfahrungen braucht? Oder wo ist ein Rechtsanwalt zu finden, der eine einstweilige Verfügung beantragen kann für den Schuldner, der erst im allerletzten Augenblick in die Beratungsstelle kommt, bevor der Gerichtsvollzieher seine Mietwohnung räumt?
Kirche und Caritasverband könnten im Einsatz für Arme sicher noch mehr tun, räumt Klaus Skalitz ein. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass die gesamte Gesellschaft Verantwortung trägt für ihre schwächeren Glieder. Zu den Aufgaben des Caritasverbandes gehöre es daher auch, öffentlich zur Solidarität aufzurufen und auf Missstände und Ungerechtigkeiten hinzuweisen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.01.2001