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Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte

Christa Franze über den 17. Juni 1953 in Leipzig

Damals war ich Mitglied des Opernballetts und befand mich um die Mittagszeit auf dem Weg in die Gaststätte neben der Oper. Als ich dort den Kollegen erzählte, was mir zu Ohren gekommen war, stieß ich auf Unglauben, bis unser Ballettdirigent alles Gehörte bestätigte: Die Geschäfte der Innenstadt seien geschlossen, überall Menschenansammlungen, Prügeleien kämen in Gang, da die Plakate mit den seit Jahren nervenden Parolen heruntergerissen würden. Sie flogen in Fetzen durch die Luft. Die Russen stünden dabei und lächelten. "Hoffentlich treiben's die Leute nicht zu weit, so dass sich die Russen veranlasst fühlen einzugreifen", war die Meinung unseres Kollegen. Im Lokal befand sich ein Radio. Ungeniert drehten wir den RIAS an und erfuhren von den Ereignissen in Berlin.

Später begegnete uns ein Trupp Arbeiter. "Wir erklären uns solidarisch mit Berlin!", stand auf ihrem Plakat. Vorübergehende riefen: "Bravo!" Dass Menschen bei uns auf die fast selbstmörderische Idee kommen könnten, von oben her befohlene Arbeitsnormen abzulehnen, hätte bis dahin keiner auch nur zu denken gewagt. Nun ließ die Entschlossenheit der Marschierer sogar Hoffnung aufkommen, es könnte sich etwas verändern.

Da ich nicht wusste, ob die Vorstellung stattfinden würde, fuhr ich an Ort und Stelle. Unser "Bau" war geschlossen. Kollegen standen davor. Ein Kammersänger zitierte mit tiefer Stimmlage eindrucksvoll aus der Oper Bajazzo: "Geht alle heim, das Spiel ist aus!" Und auch er verschwand so schnell, wie er gekommen war.

In Erinnerung habe ich noch, dass die Russen äußerten, sie hätten keine Lust auf uns zu schießen. Manche sollen sogar applaudiert haben! Außer mit Schusswaffen operierte die Volkspolizei mit Wasserwerfern. Zum Teil sollen auch Polizisten Schießbefehle missachtet haben.

Aber es gab auch Tote. Auf Bahren wurden zwei Leichen durch die Stadt getragen und die Menschen riefen: "Das war unsere Volkspolizei!" Am Hauptbahnhof ist es zu sechs Toten und vielen Verletzten gekommen. Eine Bahnhofshalle wurde in Brand gesteckt. Eine unserer Tänzerinnen wäre am Bahnhof beinahe erschossen worden, eine andere befand sich an einer Straßenbahnhaltestelle, als Maschinengewehre losknatterten. "Binnen einer Sekunde lagen wir alle auf dem Bauch", erzählte sie.

In der Innenstadt brannten der SED-Pavillon und jener der DSF. Die Feuerwehr wurde mit Steinwürfen vertrieben. Auch die Gefängnisse wurden gestürmt. Akten zu den Fenstern hinausgeworfen und verbrannt. Am Abend jenes Mittwochs war der Ausnahmezustand da.

Da der Russe nun massiv wachte, geschah bald nichts mehr. Fahnen und SED-Plakate waren schnell erneuert, oft mit Aufschriften wie: "Ein Hoch den Sowjetsoldaten, unseren Beschützern und Befreiern!" Was aber mag jenen in den Gefängnissen geschehen sein, die sich so tapfer für unsere Freiheit eingesetzt hatten? Wird der Mensch jemals begreifen, dass ein Unterdrückter niemals sein Bruder werden kann? Er macht ihn zum Feind und das Schlimme ist, er wird es und reagiert, um seine Freiheit zu erlangen, wiederum mit Gewalt. Ein Szenarium, das sich uns immer noch jeden Tag über das Fernsehen bietet. Wann werden wir allesamt klug genug sein zu erkennen, dass nur Bruderliebe den Frieden auf Dauer retten kann?

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 11.06.2003

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