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Bistum Erfurt

Nicht jeder Muslime versteht Arabisch

Die Erfurter katholische Studentengemeinde besuchte die Medinah-Moschee und machte dabei interessant

Erfurt -Eine außergewöhnliche Glaubensbegegnung machte die Katholische Studentengemeinde Erfurts am 14. Mai, als sie in der Medinah-Moschee in Erfurt einen interreligiösen Dialog führte. Die Initiative ging von Simon Neubert aus, der diesen Vorschlag mit Zustimmung der Gemeindeversammlung für das Semesterprogramm eingebracht hatte. Der Theologiestudent im zweiten Semester suchte den Kontakt zu einer islamischen Gemeinde und vereinbarte einen Besuch.

Schon beim Eintreten merkte jeder, dass er nicht eine Wohnung, sondern die Moschee betrat, da man die Schuhe ablegen musste. Imam Abdullah Dündar freute sich über das Interesse der Studenten, da er ansonsten die Bevölkerung als wenig aufgeschlossen erlebt: "Sie fragen uns nicht, wer wir sind, wie wir leben. Die Muslime müssen sich aus erster Hand selbst erklären, da sonst ein falsches Bild entsteht." Seit fünf Jahren ist der gebürtige Türke Vorsteher des islamischen Kulturzentrums. Imam wird derjenige, der am besten über den Glauben Bescheid weiß und die Anerkennung seiner Gemeinde hat. In den ersten Jahren nach der Wende gab es keinen Gebetsraum für Muslime in Erfurt, jetzt befindet sich die Moschee in einem kleinem Wohnraum eines Mietshauses. Mitte der 90er Jahre waren es nur drei bis fünf Gläubige, die sich zum Gebet versammelten, jetzt hingegen treffen sich mitunter 100 Muslime zum Freitagsgebet.

Es ist schwer vorstellbar, wie sie Platz in den zwei Räumen finden, die dafür längst zu klein sind. Schon als die Studentengemeinde mit etwa 25 Leuten im Gebetsraum auf dem Fußboden saß, wurde es eng. Zu den hohen islamischen Festtagen des Opferfestes und zum Fastenbrechen am Ende des Ramadan muss der Imam deswegen für bis zu 300 Leute eine Halle anmieten. Er berichtete den Studenten vom geplanten Neubau einer Moschee in Erfurt, von seiner Vorstellung, dass die Gemeinde auf möglichst breiter Basis ein Ort für alle Muslime sein soll.

Die Nachfrage, ob sich denn die unterschiedlichen Richtungen im Islam, Sunna und Schia, auch auf diese Art zusammenfinden würden, beantwortete der Imam ausweichend, dass es ja nur einen Islam in der Nachfolge Muhammads gebe. Nach Einschätzung von Hochschulpfarrer Christian Gellrich, der die Studenten begleitete, ist diese Darstellung des einheitlichen Islams aber etwas geschönt.

Die Gesprächspartner, die an diesem Abend gekommen waren, stammten aus Palästina, Algerien, Jordanien, dem Irak und der Türkei. Offensichtlich beteten die sunnitischen Muslime nach Sonnenuntergang um 21 Uhr das fünfte Tagesgebet gemeinsam. Dies ist durchaus eine Besonderheit gegenüber den alten Bundesländern, wo in Orten mit vielen Muslimen verschiedene Gemeinden getrennt nach ihrer Herkunft bestehen.

schon mal Sprachprobleme, weswegen auch Vorträge auf Deutsch angeboten werden. "Das Gebet auf Arabisch, versteht das jeder?”, wunderte sich eine Studentin, nachdem die Katholiken beim Gebet zuschauen und zuhören konnten. "Ähm ja, oder auch nein", kam als Antwort.

Fragen hatten die Studenten auch zur gegenwärtigen Konfrontation der westlichen mit der muslimischen Welt. "Haben die Attentäter im Sinne des Islams gehandelt?" Der Imam erwiderte: "Ich denke nicht. Was denken Sie?" Er warb für seine Auffassung des Islam, die Gerechtigkeit sowie Frieden und Hingabe an Gott bedeutet. "Bei uns gibt es normalerweise kein Unrecht, aber die Nichtmuslime denken, wenn sie uns sehen, dass sie auf ihre Tasche aufpassen müssen. Die Leute kennen uns nicht als Person, ich bin nicht Abdullah der Imam, unser Name ist immer muslimischer Terrorist."

Auch auf die Frage, warum keine Frau beim Gebet dabei ist, fand sich eine Erklärung. "Unsere Gedanken sollen frei sein und sich nur auf Gott ausrichten. Normalerweise, wenn ihr nicht hier gewesen wäret, hätten die Frauen in der anderen Hälfte des Raumes gebetet.”

Der Eindruck bei den Studenten war durchaus gemischt. Verständnis für die schwierige Außenseiterrolle war dabei, aber auch Kritik an der wenig vorhanden Selbstkritik der Muslime. Auch waren sich einige katholische Theologiestudenten nicht ganz sicher, wie repräsentativ die Vertreter der kleinen Erfurter Gemeinschaft in theologischen Fragen für den Islam überhaupt waren.

Reiner Just

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 22 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 18.06.2003

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