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Am Anfang stand eine wackelige Kommode

50 Jahre Caritassekretariat und 5 Jahre Caritasverband in Meißen

Meißen -"Überall, wo zwei zusammen sind in Christi Namen oder einer sich des anderen annimmt, da ist Gott und ist der Tempel, der Ort der Begegnung mit Gott". - In seiner Predigt anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Caritassekretariats Meißen ging Bischof Joachim Reinelt auf die Caritas als eine der drei Fundamente der katholischen Kirche ein: "Gott bedient sich oft der Menschen als Werkzeug. In seiner Zuwendung zu ihnen bezeugt sich seine Gegenwart." Und in der Zuwendung, die viele in Not geratene Menschen von den Mitarbeitern der Caritas erfahren haben und weiter erfahren, teilt sich ihnen, ob religiös oder fremd in der Obhut durch den Glauben, christliches Handeln mit.

Unter den Gratulanten und Partnern der "50-Jährigen" in der Stadt des heiligen Benno waren Oberbürgermeister Dr. Thomas Pohlack und weitere Vertreter der Kommunen, des Diözesan-Caritasverbandes in Dresden, Gäste aus anderen Wohlfahrtsverbänden, der evangelischen Kirche und viele, die das karitative Engagement zu schätzen wissen. In Zeiten der immer intensiveren Beschäftigung mit Technik und Wissenschaft sei es eben auch das menschliche Handeln am Nächsten, das auch Menschen ohne bewusste Beziehung zu Gott von dem christlichen Leitbild überzeugt, hieß es unter anderem in den Grußworten. Zugleich wurde auch das Bestehen des vergleichsweise jungen, fünfjährigen Caritasverbandes in der Porzellanstadt gefeiert, der heute 368 Mitglieder zählt. Fünf Jahre, in denen ein breites Angebot für Menschen entstand, die der Unterstützung und sachkundigen Beratung bedürfen. Schwerpunkt, so die Vorsitzende des Caritasverbandes Meißen, Lydia Steinbach, sei hier die Schuldnerberatung, die Wege aus der scheinbaren Ausweglosigkeit aufzeige. Und das, obwohl die Zuwendungen der öffentlichen Hand rückläufig sind. Vor zwei Jahren wurde dem Meißner Verband übrigens die Anerkennung als Verbraucher-Insolvenz-Beratungsstelle bestätigt.

Mit der Motivation nicht wegzuschauen, wo das Leben nicht mehr froh und frei verläuft, ergreifen die Caritasleute in der Wettinstraße die Initiative. So wurde mit Schwester Aleides Salb ein Hospizdienst aufgebaut, denn Sterben darf in unserer Gesellschaft nicht gänzlich tabuisiert werden. Zunehmend engagieren sich Ehrenamtliche aus Meißen und Umgebung für diese Art Wegbegleitung am Ende eines Lebens. Doch auch am Anfang eines Lebens können sich Nöte und Stolpersteine zeigen. Für Kinder, die in ihren Familien nicht mehr klar kommen und deshalb in der Schule auffällig werden, wurde in Wülknitz die Tagesgruppe gegründet. "Igel haben Stacheln und wir haben die Tagesgruppe" heißt es in ihrem Motto. Ihr lang vorbereiteter Auftritt in der Feierstunde wurde von den Zuschauern mit besonderer Freude und Beifall belohnt.

Seit fünf Jahren - eigentlich das dritte Jubiläum in diesen Tagen in Meißen - treffen sich die Kinder und lernen, freundlich aufeinander zuzugehen. Ähnlich die vor zwei Jahren aufgebaute Mobile Jugendarbeit in der Region Hartha / Leisnig / Waldheim. In Leisnig treffen sich jetzt die jungen Leute mit ihrem Streetworker, um statt Frust und Langeweile gemeinsam neue Chancen zu suchen.

Für die Rückblende zu 50 Jahren Wohlfahrt unter dem Dach der Pfarrei St. Benno musste Diözesan-Caritasdirektor Horst Kutschke nicht unbedingt das Archiv bemühen. Selbst Zeitzeuge und in Anwesenheit vieler, die sich seit der Gründung 1951 um die Arbeit des katholischen Wohlfahrtsverbandes verdient gemacht haben, konnte er manches Detail aus der Geschichte nennen. Und die beginnt eigentlich anno 1888 mit der Wiedergründung der Pfarrei. Bald sorgte sich ein Kolpingverein vor allem um die Not unter den Handwerksleuten. Der Elisabethverein kümmerte sich um Familienfürsorge. In dieser Entwicklung entstanden auch Caritasausschüsse. Von den 1932 bestehenden 89 Ausschüssen wirkte einer auch in Meißen. Der zugehörige Mädchenschutzverein nahm unter anderem Hausangestellte, meist sehr junge Mädchen aus Schlesien, in seine Obhut, prüfte ihre Unterbringung, vermittelte Stellen und sorgte für ihren Kontakt nach Hause. Seit 1931 gab es in Meißen einen katholischen Kinderhort, in dem 40 Kinder betreut wurden. Eine Vorgeschichte, die in die Gegenwart reflektiert. Mit den Wirren des Krieges blieben viele katholische Heimatvertriebene aus dem Osten im Raum Sachsen. Die Zahl der Katholiken im Bistum wuchs von 250 000 auf 900 000. Die Not war groß und es fehlte an allem, vor allem auch an Pflegeeltern. Erinnerungen an Carepakete wurden wach, an die ersten Kinder-Erholungsheime wie Thammenhain, das Horst Kutschke später leitete.

Als 1951 Margarete Seidel die Arbeit des Caritassekretariats als Ein-Frau-Betrieb aufnahm, standen eine dreibeinige Kommode und ein Besucherstuhl zur Verfügung. Eine Basis, die gar nicht so wackelig war, wie sie scheint. Denn die unermüdliche Tatkraft aller, die helfen wollten, sorgte für Veränderung. 1955 begann Pfarrer Werner Laukus seine Tätigkeit als Caritasreferent. Vier Jahre später werden in den ersten "Frohen Herrgottsstunden" etwa 100 Kinder betreut. 1959 war das Möbelproblem gelöst, eine Schreibmaschine gehörte zum Inventar und ein Moped erlaubte als fahrbarer Untersatz mehr Mobilität. Zwar wurde 1982 noch immer ein Telefon als schneller Kommunikationsmittler schmerzlich vermisst, dennoch war die Fürsorgearbeit gut ausgebaut.

Die zwischen 1990 und der Gründung liegende Zeit sozialistischer Beeinflussung forderte manche kreative Überlebensstrategie heraus. Immer stärker machte sich die Tendenz des Weggehens in den Westen Deutschlands bemerkbar. Die Mitwirkung ehrenamtlicher Helfer wurde unverzichtbar. Die Caritas sorgte dafür, dass Heimkinder in Patenfamilien schöne Tage verleben konnten. Auch die Vermittlung von Berufsausbildung und Arbeitsplätzen im kirchlichen Raum half, schwierige Situationen derer zu überbrücken, die dem politischen Druck gegen Andersdenkende in der DDR ausgesetzt waren.

1993 übernahm Astrid Winkler die soziale Beratung und die Leitung des Sekretariats, das seither wiederum gewachsen ist. Durch die Dekanatsreform kam ein Teil des Dekanates Hubertusburg zu Meißen: Die Pfarreien Oschatz, Wermsdorf, Leisnig, Döbeln, Roßwein, Mügeln und Waldheim. 1996 wurde Frau Winkler zur Geschäftsführerin gewählt. Im selben Jahr begannen die Hilfstransporte nach Bosnien-Herzegowina, die in Zusammenarbeit mit der Pfarrei St. Barbara in Riesa seither regelmäßig und zum Teil mit mehreren Fahrten im Jahr die Hilfe vor Ort bringt.

Maritta Angotti

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 21 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 23.05.2001

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