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Arbeitsmarkt: Bald gute Aussichten für 70-Jährige

Kurt Biedenkopf eröffnete in Halle ein Themenjahr zur Alterskultur

Halle (mh) -Es war ein düsteres Szenario, das Kurt Biedenkopf, der ehemalige sächsische Ministerpräsident, zeichnete: In Deutschland werden in naher Zukunft die 70-Jährigen -statt ihre Rente genießen zu können -als Altenpfleger für die 90-Jährigen arbeiten müssen. Junge Leute brauchen in der Ausbildung keine Anstrengungen mehr vollbringen, um sich ihren Berufswunsch erfüllen zu können. Arbeitsplätze aller Art werden für sie an allen Orten in riesiger Auswahl zur freien Verfügung stehen. Und schließlich werden endgültig die Sozialsysteme zusammenbrechen.

Biedenkopf sprach in Halle zur Eröffnung eines Themenjahres, das sich mit diesen Fragen beschäftigt (Stichwort). Um den Weg zu einer neuen Alterskultur gehen zu können, müsse die Situation zunächst schonungslos beschrieben werden. Begründet ist das Szenario in der Bevölkerungsentwicklung: In wenigen Jahren wird sich die Bevölkerungspyramide der Deutschen auf den Kopf gedreht haben. Begonnen hat das mit dem Rückgang der Geburtenzahlen ab 1970. Inzwischen kommen auf drei Erwachsene nur noch zwei Kinder. Hinzu kommt die ständig steigende Lebenserwartung.

Etwa im Jahr 2010 werde das politisch spürbar, sagt Biedenkopf voraus. Die deutsche Bevölkerung in Deutschland betrage heute etwa 70 Millionen. Im Jahr 2030 werde sie sich mit etwa 55 Millionen auf den Stand von 1900 zurückentwickelt haben. Seit Jahrzehnten sei das bekannt. "Aber die Diskussion ist in den letzten 25 Jahren nicht geführt worden", sagt Biedenkopf. Um auf die Entwicklung zu reagieren, hätten Veränderungen im Sozialsystem beispielsweise 1985 beginnen müssen. Biedenkopf glaubt deshalb auch, dass sich an dem Befund nur wenig ändern wird. Um noch zu retten, was zu retten ist -Biedenkopf hofft darauf, dass Not erfinderisch macht -sei eine umfassende Aufklärung notwendig, denn bisher hielten nur zwei Prozent der Bevölkerung dieses Problem für dringend. "Wir müssen den Menschen sagen, was geschieht, wenn nichts geschieht."

Die Deutschen würden gegenwärtig einer Wohlstandsillusion erliegen. "Wir leben über unsere Verhältnisse." Und die heutige Enkelgeneration werde die Schulden bezahlen müssen, die die mittlere Generation produziere. Biedenkopf nannte als Ansatzpunkte für einen Asuweg: Abbau der Schuldenlast, mehr private Vorsorge und ein Umdenken in der Zuwanderungsdebatte. "Die Wirklichkeit wartet nicht auf unsere Bereitschaft, sie zu gestalten", zitierte er Alt-Bundespräsident Roman Herzog. Dabei richtete er den Appell besonders an die heute mittlere Generation: "Nicht meine Generation, sondern die geburtenstarken Jahrgänge werden entscheiden, wie sie im Alter leben."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 14 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 23.06.2003

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