Miteinander lernen und leben
Görlitz: Einjährige Ausbildung in der Berufsfachschule für Gesundheit und Pflege lässt Schüler reife

Görlitz -Still ist es auf dem Flur. Lediglich aus der Küche ist leises Geschirrgeklapper zu hören. Dort gehen gerade drei Mädchen ihrem Küchendienst nach und spülen die Überbleibsel des Mittagessens von den Tellern. Die meisten ihrer Mitschülerinnen haben sich unterdessen für den Rest der Mittagspause auf ihre Zimmer zurückgezogen. Sie hören Musik, plaudern mit ihren Zimmerkolleginnen oder schauen noch einmal in ihre Lehrbücher. Andere genießen draußen im Innenhof die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings, bis der Unterricht um halb zwei wieder weitergeht. "Übungen zur Lagerung von Patienten" und "Basteln von Spielen zur Sinneswahrnehmung" stehen heute auf dem Nachmittagsstundenplan.
Vorbereitung auf einen sozialen Beruf
Die insgesamt 19 Mädchen und drei Jungen sind Schüler der einjährigen Berufsfachschule für Gesundheit und Pflege in Görlitz. Seit mittlerweile zwölf Jahren werden hier jährlich bis zu 25 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren auf die Ausübung eines sozialen Berufes vorbereitet. Der Caritasverband Görlitz ist Träger der Einrichtung, in der die Schüler während der gesamten Ausbildung auch gemeinsam leben und wohnen. Sie bekommen hier die Möglichkeit, sich nach dem Abschluss der mittleren Reife neu zu orientieren oder Wartezeiten auf einen Ausbildungsplatz sinnvoll zu nutzen. "Wir vermitteln theoretische und praktische Grundkenntnisse beispielsweise für angehende Krankenschwestern, Altenpflegerinnen oder auch Erzieherinnen", sagt Rita Lehmann, seit Juli 1997 Leiterin der Berufsfachschule.
Das Angebot der Schule stützt sich auf drei Säulen. Im Berufspraktischen Unterricht arbeiten die Schüler einen Tag in der Woche in Alten- oder Krankenpflegeeinrichtungen beziehungsweise in Kindertageseinrichtungen oder im Bereich der Beschäftigungstherapie für ältere Menschen. Die zweite Säule ist der allgemeinbildende und fachbezogene Unterricht. Die dritte Säule ist das Besondere an der Ausbildung: "Während des Schuljahres wohnen alle Schüler im angegliederten Wohnheim", erklärt Rita Lehmann. "Dadurch soll die Selbstständigkeit jedes Einzelnen und die Gemeinschaft untereinander gefördert werden. Sie lernen den Alltag eigenverantwortlich zu leben und zu gestalten und wenn nötig Konflikte auszutragen." Dazu gehört auch die Erledigung der unterschiedlichsten Arbeiten: Toilettendienst, Küchendienst, Tischdienst. Ein Plan in der Küche sorgt für den nötigen Überblick.
"Ich finde ganz gut, dass wir hier auch alle gemeinsam wohnen", sagt Stephanie Holz (16). "Im ersten Moment denkt man zwar ,oh je, 24 Stunden Dauer- Schule und man kann nie Abstand nehmen', aber so ist es nicht. Man gewöhnt sich daran. Mittlerweile kommt mir das Leben hier vor wie in einer kleinen Familie, denn das Verhältnis zu den Lehrern ist viel freundschaftlicher, als man es sich vorstellen würde. Sie sind ja zusätzlich auch unsere Betreuer, die dadurch viel näher an unserem Leben teilhaben."
Inzwischen ist die Mittagspause vorbei und die Schüler finden sich in ihren Klassenräumen ein. Für diejenigen, die im Bereich der Kindertagesstätten oder Beschäftigungstherapie arbeiten, wird der Unterricht heute sehr bunt und kreativ. Sie haben die Aufgabe, Spiele zur Sinneswahrnehmung herzustellen, die sie später in ihren Einrichtungen auch benutzen können. Während einer kurzen theoretischen Einführung lernen die Schüler, wie wichtig Sinnesspiele sein können, um etwa Abwechslung in den stationären Alltag zu bringen. Und dann wird es praktisch: Mit farbigen Stoffen, Federn und Baumrinden stellt eine Gruppe ein Tastbild her, eine andere Gruppe nimmt sich dem Hörsinn an und sammelt eifrig Geräusche auf Tonband.
Gute Qualifikation für den Arbeitsmarkt
Weniger kreativ geht es einen Raum weiter zu. Hier gilt es, spezielle Handgriffe beim Patienten richtig anzuwenden. Denn die Schüler aus Einrichtungen des Alten- und Krankenpflegebereichs lernen in kleinen Schritten und am lebenden Objekt die korrekte Lagerung von Patienten. Von stabiler Seitenlage bis Bein-hoch-Lage werden gruppenweise alle Lagerungen ausprobiert. Dabei fließen auch eigene Erfahrungen von Schülern mit ein, die sie bereits während ihrer Tätigkeit in den Einrichtungen gemacht haben.
"Wir legen Wert darauf, dass nicht nur das theoretische Wissen, sondern auch die praktische Anwendung vermittelt wird", sagt Rita Lehmann. "So erlangen die Schüler umfassende Grundkenntnisse in ihrem zukünftigen Beruf. Und wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Krankenausbilder Schüler einer Berufsfachschule gern einstellen."
Michaela Mürmann
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 23.06.2003