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Herbergsort für Jakobspilger

In Wurzen nehmen katholische und evangelische Gemeinden Wanderer auf

Am alten Jakobspilgerweg: Gemeindepädagoge Winkelmann und Gemeindereferent Pfeifer vor der katholischen Kirche in Wurzen.

Wurzen -Jakobsgasse, Jakobsplatz, Jakobstor und eine Gaststätte "Zum heiligen Jakob" -gleich mehrere Namen erinnern daran, dass durch Wurzen einst der Pilgerweg zum Grab des Apostels Jakobus im nord-spanischen Santiago de Compostela führte. Weil es in Wurzen eine Furt durch die Mulde gab, führte die via regia, die Königs- und Handelsstraße durch die Stadt und damit kamen auch die Jakobspilger diesen Weg entlang. So wundert es nicht, dass auf dem in diesen Tagen von der Dresdner Gemeindepädagogin Esther Heiße in Mitteldeutschland wiederbelebten alten Pilgerweg Wurzen einer der Orte ist, in dem Pilger Herberge finden werden.

"Als Frau Heiße im Juli 2002 auf der Suche nach Pilgerunterkünften bei uns vor der Tür stand, erhoffte sie sich Quartier für gleich 30 bis 40 Leute", sagt Gemeindereferent Michael Pfeifer von der Wurzener Pfarrei Herz Jesu. "Zurzeit können die evangelische Gemeinde am Dom St. Marien zehn und wir im Pfarrhaus fünf Plätze bieten. Aber notfalls sind es vielleicht auch noch mehr und vielleicht kann auch die Stadt mit Plätzen in der neuen Jugendherberge helfen, die jetzt im Schloss und einstigen Bischofssitz entsteht", so Pfeifer. Für eine gute Sache werde die Erschließung des alten Pilgerweges auf jeden Fall gehalten. Pfeifer: "Von der Gemeinde jedenfalls kam gleich das Signal: Wir tragen das mit."

Das sieht auch Religions- und Gemeindepädagoge Stefan Winkelmann von der evangelischen Kirche so: "Wenn es anläuft, wenn die ersten Pilger an unserem Sonntagsgottesdienst teilnehmen, dann werden die Leute sagen: Das ist uns wertvoll. Dafür setzen wir etwas ein", so seine Hoffnung. Das eigentliche Problem seien nicht die Räume, sondern Fragen wie: Wer übernimmt den Schlüssel, wer trägt die Verantwortung. Winkelmann: "Im Endeffekt habe ich erstmal gesagt: Ich kümmere mich darum."

"Erlebnisorientierte Andächtigkeit"

Die Wiederbelebung des alten Pilgerweges in den neuen Bundesländern hält Winkelmann für eine "große Chance", auch wenn er mit der Reliquienverehrung in Santiago de Compostela als Protestant so seine Probleme habe. Schließlich sei da aber eine unterschiedliche Interpretation möglich. Das Unterwegssein jedoch biete gerade jungen Leuten die Voraussetzung für eine "erlebnisorientierte Andächtigkeit" und dafür, "miteinander und mit Gott ins Gespräch zu kommen. Und diese Möglichkeit werde auch angenommen", sagt Winkelmann, der vorwiegend mit Jugendlichen arbeitet. Wenn die evangelische junge Gemeinde jedes Jahr in der Gründonnerstagsnacht ihren Kreuzweg durch die Stadt halte, mache er jedenfalls "sehr positive Erfahrungen" mit dieser Art erlebnisorientierter religiöser Praxis, sagt Winkelmann. "Indem man sich auf den Weg macht, trennt man sich von dem, was einen sonst beschäftigt." Zudem brauche eine zwei- oder dreitägige Wanderung mit einer Gruppe Jugendlicher in eine der beiden Richtungen des Wanderweges nicht viele Vorbereitungen. Sein Freund und katholischer Kollege Gemeindereferent Pfeifer sieht auch in der mit dem Wandern "verbundenen Einfachheit eine Chance für die zwischenmenschliche Begegnung und dafür, die Welt zu erleben, wie sie ist".

Fremdenverkehrskonzept des Muldentalkreises

Wie in alter Zeit übernimmt die weltliche Macht die Beschilderung der alten Königs- und Handelsstraße rund um Wurzen: So sorgt der Muldentalkreis mit der Anbringung der Jakobs-Muscheln entlang der Pilger- und Wanderroute für eine gute Orientierung und nimmt den Jakobsweg in sein Fremdenverkehrskonzept auf.

Wenn sich also im Sommer die ersten Pilger auf den mitteldeutschen Abschnitt des europäischen Jakobusweges begeben, so werden sie in der Stadt an der Mulde kostengünstig Herberge finden können -schließlich fühlen sich die Wurzener der alten Tradition verpflichtet. "Die einstige via regia führte direkt durch unsere heutige katholische Herz- Jesu-Kirche", sagt Gemeindereferent Pfeifer nicht ganz ohne Stolz. Und Gemeindepädagoge Winkelmann ergänzt, dass vermutlich am Jakobsplatz einst eine Jakobuskirche stand. Und Kirchen mit diesem Patronat gab es fast nur entlang des Jakobspilgerweges.

Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 20 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 24.06.2003

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