"Vollkommene Freude"
Die Künstlerin Hildegard Hendrichs erhielt die Elisabeth-Medaille des Bistums

Erfurt (bip) -Können zwei Worte ein Leben charakterisieren? Im Fall der Erfurter Künstlerin Hildegard Hendrichs, die am vergangen Samstag 80 Jahre alt wurde, mag es gelingen. "Vollkommene Freude" könnte über ihren acht Jahrzehnten stehen. Heiter und leicht waren sie dennoch nicht.
Hildegard Hendrichs wurde am 7. Juni 1923 als Älteste von vier Geschwistern in Berlin- Schöneberg geboren. Nach dem Abitur und dem Arbeitsdienst begann sie eine Ausbildung an der Holzbildhauerschule in Empfertshausen (Rhön). Weil die Schule nationalsozialistisch geführt wurde, konnte die bekennende Katholikin nur nachts und in aller Heimlichkeit christliche Kunstwerke schnitzen. Das Ende des Nationalsozialismus erlebten die meisten ihrer Mitschülerinnen als Zusammenbruch. "Der Nationalsozialismus war ihr Glaube gewesen, und jetzt hatten sie nichts mehr", erinnert sich Hildegard Hendrichs. Für sie hatte dieses Erlebnis Konsequenzen. Die Künstlerin beschloss, in Thüringen zu bleiben und durch ihre Kunst Christus zu verkündigen. Zella, Geisa und ab 1948 Erfurt wurden ihre Wohnorte.
Die Nöte und Ängste des Weltkrieges und der Nachkriegszeit prägen die ersten Arbeiten. Ernst wirken ihre Figuren, an denen ausdrucksvoll gestaltete Augen und Hände auffallen. Doch der Stil sollte sich im Laufe der Jahre ändern, Hendrichs Figuren wurden weicher und freundlicher, die Farben heller. "Am Ende blieb vom Ernst und der Traurigkeit nur noch ein Lächeln in den Gesichtern deiner Figuren". So sagte es einmal eine Frau, die Hildegard Hendrichs künstlerischen Werdegang über die Jahre verfolgt hatte.
Der Schlüssel für diese Entwicklung liegt in einer Erzählung über den heiligen Franziskus, die Hildegard Hendrichs ein Leben lang beeindruckt hat. Vollkommene Freude sei, so soll der Heilige gesagt haben, die Schmerzen und Mühsal des eigenen Lebens aus Liebe zum gekreuzigten Christus anzunehmen. "Zur vollkommenen Freude zu finden, ist natürlich ein lebenslanger Prozess", deutet Hildegard Hendrichs vorsichtig an. "Aber wenn man Gott die Not hinhält und nicht in eigener Traurigkeit verharrt, begegnet man seiner Liebe, aus der wir in jeder Situation leben können." Am Ende stehe die Freude, die nichts anderes mehr braucht, ist die Erfahrung der Künstlerin.
Der heilige Franziskus blieb eine ständige Größe im Leben von Hildegard Hendrichs, die sich der franziskanischen Ordensfamilie anschloss und von 1954 bis 1958 in Italien auf dem La Verna, dem Berg der Stigmatisation des Franziskus, lebte. Da hatte sie schon anlässlich des Heiligen Jahres 1950 mit ihrem Hedwigs- oder Flüchtlingsaltar an der Ausstellung "Arte Sacra" im Vatikan teilgenommen und mehrere Aufträge in der Heiligen Stadt erhalten. Meist arbeitete Hildegard Hendrichs -dem franziskanischen Armutsideal entsprechend -nur für Kost und Logis. "Der La Verna ist mir bis heute der liebste Ort auf Erden", sagt sie. Dennoch konnte der damalige Berliner Kardinal Döpfner die Künstlerin bewegen, 1959 in die DDR zurückzukehren, um durch ihre Kunst den Glauben zu verkünden.
Die Rückkehr führte zunächst ins Gefängnis -wegen illegalen Verlassens der DDR. Dann arbeitete sie wieder in Erfurt. Hildegard Hendrichs schuf Kruzifixe, Passionsdarstellungen, Madonnen, Heilige, Altarschnitzereien und fertigte auch Arbeiten in Kupfer an.
Die Künstlerin ist nicht nur durch ihre Werke bekannt geworden. Einer ersten Einladung ins Erfurter Priesterseminar zu einer Meditation über Kunst folgen viele andere Vorträge, die sie landauf, landab bis vor zwei Jahren in ganz Deutschland hielt. Ende der 60er Jahre begann Hildegard Hendrichs, geistige Lieder und meditative Melodien niederzuschreiben. "Die Freude an Gott macht sich bei mir immer noch in musikalischen Meditationen plötzlich Luft." Erfurter Musiker spielten ihre Musik ein, die sie in Liedersammlungen, auf Kassetten und seit zwei Jahren -wie ihre Vorträge -auf CDs verbreitet.
Bischof Joachim Wanke ehrte dieses Engagement: Am 7. Juni erhielt Hildegard Hendrichs "für die Verkündigung des Evangeliums durch ihr künstlerisches Wirken" die Elisabeth-Medaille des Bistums Erfurt.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 01.07.2003