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Aus der Region

Bibel hat Konjunktur

Bibelbox macht Station in Leipzig

Leipzig - Zur Eröffnung der Bibelbox in Leipzig sollte eigentlich der Bläserchor des Evangelischen Schulzentrums aufspielen, aber der kam nicht. So mussten sich die ersten Besucher am 14. Mai auf dem Augustusplatz mit den einführenden Worten des Superintendenten Ekkehard Vollbach zufrieden geben. Vier Tage lang stand der große blaue Würfel, in dem eine Wanderausstellung rund um die Bibel zu sehen ist, in der Messestadt - kommende Woche ist er auf dem Ökumenischen Kirchentag, danach in Erfurt. Die Bibelbox - das Highlight im Jahr der Bibel. Die Abwesenheit des Leipziger Bläserchors hat dem großen Interesse am Buch der Bücher aber keinen Abbruch getan. Rund 11 000 Besucher haben allein die Schau in Leipzig gesehen. Begleitet wurde das wohl einmalige Bibel-Event von zahlreichen Veranstaltungen. Pastorin Angela Langner und Stadtjugendpfarrerin Christiane Thiel waren die Hauptinitiatorinnen, die die Ausstellung zusammen mit einem Trägerkreis, zu dem auch die katholische Kirche gehörte, organisiert haben.

"Sehen Sie sich die Regale in den Buchhandlungen an, eine Handvoll christlicher Literatur steht neben einer Unzahl von esoterischen Büchern. Dagegen wollen wir was tun", erläutert Steffen Kahl, Koordinator des Bibeljahres, das Konzept des Bibelwürfels, der noch bis Ende Juli in insgesamt zehn deutschen Städten unterwegs ist. Jeder Mensch habe ein Recht darauf, etwas von der Botschaft Jesu Christi zu erfahren. "Wir wollen die Menschen von der Bibel begeistern und etwas von der froh machenden und befreienden Botschaft verkünden", beschreibt Kahl den missionarischen Schwerpunkt der Veranstaltung.

Leitmedium der Ausstellung ist der Papyrus, der seit etwa 2800 vor Christus als Schreibmaterial verwendet wurde. Vermutlich in Ägypten erfunden, ist er bei den Griechen seit dem sechsten Jahrhundert vor Christus nachweisbar. Durch die Ausstellung der Bibelbox führen Papyrushalme als Wegweiser. Die zwei bis drei Meter hohen Halme bilden einen Pfad, dem der Besucher vom Eingang bis in die zweite Etage folgen kann. Am Eingang ist eine Tafel platziert, die einen Einblick in die Bedeutung des Papyrus gibt und eine Geschichte der Schreibmaterialien erzählt.

Die Schau ist in insgesamt acht Stationen gegliedert, in denen zehn biblische Figuren vorgestellt werden. Zu jeder Station gibt es eine Stoffbahn, eine Installation und ein interaktives Moment - eine Hörstation, ein Bilderbuch oder etwas Vergleichbares -, die etwas zur biblischen Gestalt erzählen. Auf der Stoffbahn sind der Kerntext aus der Bibel, eine Karte mit den Lebensstationen sowie ein fiktives Interview zu lesen. Die Installation macht die Schlüsselszenen im Leben der Person direkt erfahrbar. "Wer sich auf diese Lebensbilder einlässt, merkt schnell, dass die Fragen von damals die von heute sind", ist Steffen Kahl überzeugt.

Zum Beispiel die Geschichte von Abraham und Sara, die der Besucher an der ersten Station der Bibelbox kennen lernt: Sie leben als Wüstennomaden ohne festen Wohnsitz. Dennoch, so heißt es, verspricht Gott ihnen eine Heimat zu geben und sie zu einem großen Volk zu machen. An ihnen zeigt sich das große Interesse, das Gott am Menschen hat. Abraham wird zum Urbild des gläubigen Menschen.

"Die Bibellektüre ist eine lange Entdeckungsreise", sagt Leipzigs Superintendent Ekkehard Vollbach bei der Eröffnung der Bibelbox, "die Bibel ist nicht nur ein Buch, sondern eine ganze Bibliothek." Und der Leipziger Propst Lothar Vierhock hofft, dass sich möglichst viele Menschen mit der Bibel vertraut und sie in ihrem Leben erfahrbar machen.

Etwas zu kurz kommt nach Meinung einer Katholikin die Darstellung Marias. Es sei zu wenig die herausragende Rolle der Gottesmutter gewürdigt worden: Hier zeige sich vor allem "die protestantische Handschrift der Ausstellung". "Aber könnte Maria nicht eine ökumenische Heilige sein? Ist die Fürbitte zu Maria fundamental für den christlichen Glauben?", fragt der Studentenpfarrer der Katholischen Studentengemeinde Leipzig (KSG), Andreas Reichwein, in einem Bibelgespräch mit den beiden Studenten Tobias Süß und Stefan Voges. Letzterer antwortet spontan. Man könne sicher auch einen "direkten Draht zu Jesus finden". "Aber wenn Maria die Jünger ermahnt. 'Was er sagt, das tut', dann kann uns dies die Richtung weisen, in die wir gehen müssen", ist der Student überzeugt.

Auf das Abenteuer Bibel haben sich in Leipzig am vergangenen Maiwochenende tausende von Menschen eingelassen, viele von ihnen haben keinen Taufschein.

Marion Danneboom ist evangelische Christin und Presseprecherin der Leipziger Stadtwerke. Der regionale Stromversorger hat das Projekt Bibelbox mit 2000 Euro gesponsert. "Wir überlegen uns natürlich lange, wo wir uns mit Sponsoring beteiligen", sagt die gelernte Journalistin. "Die Bibelbox ist ein offenes Konzept, das niemanden ausgrenzt". Die Ausstellung sei "Mission im positiven Sinn" und gebe Werte weiter, die für die Gesellschaft wichtig sind: Freude, Hoffnung, Mut.

Für das Au-pair-Mädchen Ripsime Mel Konjan aus Georgien war es vor allem die "beeindruckende Kunst" der Bibelausstellung, die ihr Interesse und ihre Neugier geweckt hat. Sie selbst sei katholisch und seit einem Jahr in Deutschland. Die Geschichte von Moses und die Darstellung des "brennenden Dornbusches" haben ihr am besten gefallen. Nicht ganz so begeistert war Eike Heinz aus Leipzig. Der Mormone findet das Anliegen, die Bibel in die Öffentlichkeit zu tragen, zwar gut und richtig. "Vieles habe ich aber nicht verstanden. Das spricht die Jugend sicher mehr an", meint der 60-Jährige.

Das ist durchaus gewollt. Auffällig viele junge Leute stellen sich geduldig an, um die Schau zu sehen. Neugierig auf die Bibelbox war auch Bettina Van Biezen aus Leipzig mit ihrer Tochter Clara. Die Mutter freute sich vor allem über die kindgerechten Führungen, die die Organisatoren der Bibelbox anbieten. Die Kinder mit der Botschaft der Bibel in Berührung zu bringen, hält sie für ganz wichtig. "Vor allem am Weihnachtsfest spielen diese Fragen auch für Kinder eine Rolle".

Die Bibel hat Konjunktur. Hier finden die Menschen Antworten auf ihre Fragen, Hoffnung, Trost. Vielen, so scheint es, ist das Buch der Bücher eben kein "Buch mit sieben Siegeln" mehr, sondern sie erfahren es als etwas ganz Lebendiges. "Die Bibel ist nicht nur eine enorme kulturelle und geistige Quelle", sagt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, der die Bibelbox ebenfalls besuchte. Konflikte würden offen angegangen und überhaupt "kräftig zur Sache geredet". Und wer die Bibel liest, so ist Meyer überzeugt, stößt auf Gott, bei dem das Geheimnis des Menschen verborgen liegt.

Andreas Schuppert

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 21 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 01.07.2003

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