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Bistum Dresden-Meißen

Gebaut für das kirchliche Personal

Zwickau ist mit den Priesterhäusern um eine Attraktion reicher / Kirchengeschichte erleben

Zwickau - Der Bildhauer Peter Breuer brachte einst im Reformationszeitalter einen Handwerksmeister auf die Palme. Dieser marschierte zu Bürgermeister Hermann Mühlpfort und empörte sich, dass Peter Breuer seine Werke Leuten in der Stadt und vor den Toren angeblich verschenke. "Als Gegenleistung sollen sie im römischen Glauben ausharren!" Mühlpfort antwortet, dass Breuer gehört werden soll. Dieses Gespräch können Zwickauer und Gäste seit dem vergangenen Wochenende im Domhof 7 verfolgen. Das Haus 7 stammt aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Aber auch die drei "jüngeren" Priesterhäuser existierten bereits, als Mühlpfort im Amt war und die Reformation Zwickau bewegte. Das Häuserquartett gehört damit zu den ältesten Wohnbauten Deutschlands.

Name und Alter weisen darauf hin, dass die Priesterhäuser einen Teil der Geschichte der katholischen Kirche verkörpern. "Die Kirche hat im späten Mittelalter den Gläubigen vermittelt, dass sie und ihre Verstorbenen durch Geld und Sachleistungen zum Seelenheil kommen. Ein wesentlicher Punkt waren dabei Seelenmessen gegen ein entsprechendes Endgeld. Dazu brauchte die Kirche mehr Priester", erzählt Museums-Chef Wilfried Stoye die Vorgeschichte. Für das zusätzliche kirchliche Personal wurde gleich neben der Hauptkirche, dem Dom, Wohnraum geschaffen -die Priesterhäuser.

In der Reformationszeit hat möglicherweise auch Thomas Müntzer in diesen Mauern gelebt. Dass der Bach-Schüler Johann Ludwig Krebs oder der Dramatiker Paul Rebhuhn zu den Bewohnern zählten, ist hingegen sicher. Nach der Reformation beherbergten die Priesterhäuser Superintendenten, Pfarrer, Kantoren, Glöckner, Gelehrte und andere Bedienstete der nunmehr evangelischen Kirche und von Schulen. Von 1880 bis 1977 vermietete die Stadt die Wohnungen. Dass die Priesterhäuser nun als Museum allen Interessenten offen stehen, nennt nicht nur Oberbürgermeister Dietmar Vettermann ein Wunder. Nach der Wende waren sie so verfallen, dass der Einsturz drohte. Vettermann dankte bei der Eröffnung besonders einer "Hand voll Verrückter", die den Erhalt der Priesterhäuser besessen verfolgten. Das steckte an. Immer mehr Verbündete zogen mit. Vor zehn Jahren konnte schließlich die "zweite Geburt" eingeleitet werden. Dachstühle, Wände und Decken wurden zunächst gesichert, dann begann der Ausbau, die "Rekonstruktion mit viel Liebe zum Detail" wie immer wieder bestätigt wird. Von den Baukosten, rund 3,8 Millionen Euro, hat die Stadt ein Drittel selbst aufgebracht -zwei Drittel kamen als Fördermittel vom Bund, Land und von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

In den ältesten Wohnungen der Stadt können die Besucher nun erleben, was sich in ihnen, aber vor allem um sie herum abgespielt hat. Das Museum lädt zu einer Zeitreise ins Mittelalter und die frühe Neuzeit ein und spricht dabei alle Sinne an. Der Reisende kann eine Studierstube sehen, eine Tuchschere tasten, das Holz der Balken riechen, einem Gelehrten zuhören und an bestimmten Tagen Suppe nach altem Rezept aus der Schwarzküche schmecken. Wie viele der 2200 Gäste am ersten Wochenende war Laurenz Tammer, der Pfarrer der Gemeinde "Heilige Familie", begeistert von den Priesterhäusern: "Hier wird die Seele der Stadt erlebbar". Dass den Besuchern auch ein dunkles Kapitel der Kirchengeschichte zwangsläufig vor Augen geführt wird, damit kann er leben: "Zu jeder Zeit gab es Schattenseiten, also Irrtümer, und Lichtblicke. Ein Lichtblick von damals taucht in der Ausstellung auf, Peter Breuer."

Gert Friedrich

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 21 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 01.07.2003

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