Ein Mittel gegen die Einsamkeit
Wer sich bemüht, anderen von sich selbst zu geben, hat ein Mittel gegen die Einsamkeit
Einsamkeit ist das Gefühle der Trauer, das der Mensch empfindet, wenn er sich schmerzlicher Weise bewusst wird: Ich bin allein. Die rein körperliche Gegenwart anderer Menschen genügt nicht, um die Einsamkeit zu beheben. Im Gegenteil, sich allein einer Gruppe gegenüber zu sehen, von Menschen, die sich gut verstehen und unterhalten, kann dem Einsamen sein Alleisein noch bewusster und schmerzlicher erfahren lassen. Es ist mehr notwendig, als nur mit anderen Menschen zusammen zu sein. Die anwesenden Menschen müssen unsere Gegenwart wahrnehmen, sie müssen uns gegenüber aufgeschlossen sein und mit uns reden. Sie müssen uns etwas bedeuten, und wir müssen umgekehrt für sie wichtig sein.
Jeden Tag versuchen, jemandem eine Freude zu schenken
Wie kann man das erreichen? Es werden so viele Heilmittel gegen die Einsamkeit angepriesen wie gegen Kopfschmerzen: Geh aus und treffe neue Menschen; versuche, Freunde zu gewinnen; suche ein Hobby und lies ein Buch; belege Kurse an der Volkshochschule oder an der Universität; schließe dich kirchlichen und sozialen Organisationen und Vereinen an, die Menschen zusammenbringen ... Diese Ratschläge sind sicher nicht von der Hand zu weisen und können nützlich sein. Der Psychoanalytiker Alfred Adler (1870 bis 1937) meint: Die Einsamkeit zu überwinden und so Glück zu finden, ist nicht möglich, wenn man nur darauf aus ist, vom anderen etwas zu erhalten, zum Beispiel Liebe und Zuneigung. Er pflegte jedem, der ihn nach dem Schlüssel zum Glück fragte, zu sagen: "Versuche dir jeden Tag zu überlegen, wie du jemandem eine Freude machen kannst."
Das mag sehr simpel und banal klingen, aber Alfred Adler meinte das ernst und sah das als sein bestes Rezept an. Adler stellt das "soziale Interesse" in den Mittelpunkt seiner Persönlichkeitstheorie. Damit meinte er den Wunsch, den Mitmenschen wirklich und wahrhaftig zu dienen, ohne dabei an sich selbst zu denken. Dadurch werden Gefühle der Unzulänglichkeit und Einsamkeit überwunden. Martin Bubers Rat, was man gegen seine Einsamkeit tun könne, geht in dieselbe Richtung. "Du sollst nicht mit dir geizen!" Einsame Menschen fürchten oft zu sehr, zurückgewiesen zu werden, weil sie glauben: Meine eigene Dienste und Leistungen sind zu unbedeutend. In gewissem Sinne sind sie geizig mit sich selbst. Wer sich aber bemüht, anderen von sich selbst zu geben und sich mit den Sorgen und Problemen anderer Menschen zu befassen, der hat ein Mittel gegen die Einsamkeit gefunden.
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 08.07.2003