Kräftig in die Pedale getreten
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland nimmt Formen an
Kommissar Ehrlicher ist ehrlich. Zum Thema Kirchen-Föderation könne er nicht viel beitragen, erklärt er. Peter Sodann -im wahren Leben Schauspieldirektor des Landestheaters Halle -ist in die erste gemeinsame Synode der Kirchenprovinz Sachsen und der Thrüinger Landeskirche eingeladen worden, um einen Blick von außen auf das Vorhaben Föderation beider Kirchen zu werfen. Fällig sei das wohl schon lange, sagt er. Konkreter wird er nicht -wie denn auch als einer, der von kirchlichen Strukturen wenig weiß. Aber dass die Kirche, der er nicht angehört, aber irgendwie verbunden ist, als starke Kraft in Deutschland und Gegengewicht zu den Parteien wahrgenommen wird, das liegt ihm sichtlich am Herzen. Arm und Reich müsste man zusammenbringen, Menschen freundlicher entgegenkommen und was der Aufgaben mehr sind.
Um handlungsfähig zu bleiben oder zu werden und sich den anstehenden Problemen widmen zu können, haben die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen einen Prozess angefangen, der auf eine Föderation hinausläuft. Sie gehören zu den kleineren unter den evangelischen Landeskirchen mit einer reichlich halben Million provinzsächsischen und einer knappen halben Million Thüringer Christen.
"Gemeinsam sind wir stärker, weil wir Probleme mit doppelter Kraft angehen können, weil wir voneinander und miteinander lernen können, weil wir finanzielle und personelle Ressourcen zusammenlegen und optimaler einsetzen können", heißt es in dem "Brief aus Halle", verfasst auf der ersten gemeinsamen Synode, die am 4. und 5. Juli in Halle tagte.
Der Brief der 150 Synodalen ist an alle Gemeinden gegangen, um einen Diskussionsprozess an der Basis einzuleiten. Bislang haben sich vor allem Einrichtungen und Werke der beiden Landeskirchen, Synoden, Bischöfe, Oberkirchenund Konsistorialräte damit befasst und auf der Grundlage des seit 2001 geltenden Kooperationvertrages ausgelotet, was eine Föderation bringen könnte. Sie sind direkt betroffen, die Gemeinden nur mittelbar, insofern sie von der Verwaltung, der Diakonie oder Akademie profitieren.
Zur Thüringer Herbstsynode wird der so genannte Architektenplan für die "Evangelische Kirche für Mitteldeutschland" vorliegen. Dann wird konkret, was heute nur in groben Umrissen gedacht wird: eine gemeinsame Verwaltung mit zwei Standorten in Eisenach und Magdeburg, eine Synode aber zwei Bischöfe, ein gemeinsames Diakonisches Werk, das sogar die Kirche Anhalts mit einschließt, die ansonsten abwartend daneben steht. Bis zur Frühjahrssynode 2004 kann debattiert werden, dann fallen die Würfel.
Geschwisterliebe allein ist es nicht, die die beiden Kirchen zusammenbringt, gibt der Thüringer Landesbischof Christoph Kähler zu. Die sehr begrenzten Finanzen haben die Entwicklung in Gang gesetzt und die Bereitschaft zu Veränderungen befördert. Weil es auch anderen so geht, ist in den evangelischen Landeskirchen Ostdeutschlands einiges im Fluss: Auch die mecklenburgische und pommersche Kirche verhandeln über einen Zusammenschluss, die Kirche der schlesischen Oberlausitz und die von Berlin- Brandenburg desgleichen. Und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), das gemeinsame Dach der bislang noch 24 Landeskirchen, soll in Zukunft auch die Kirchenbünde der Reformierten, Unierten und Lutheraner einschließen.
Der Trend zu größeren Einheiten, überschaubaren Strukturen und engerer Zusammenarbeit passt auch in die politische Landschaft. Sachsen-Anhalts Justizminister Curt Becker lobte auf der Synode das gemeinsame Vorhaben, mit dem die Kirche die Landesinitiative Mitteldeutschland überhole. Die beiden Bischöfe Christoph Kähler und Axel Noack probten schon einmal Gemeinsamkeit und umrundeten den Tagungsort, die Frankeschen Stiftungen, auf dem Tandem. "Für eine starke Kirche in Mitteldeutschland werden wir kräftig in die Pedale treten müssen", so der Magdeburger Bischof.
Christine Lässig,
Chefredakteurin von "Glaube und Heimat"
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 11.07.2003