Erfolg für die Caritas: Urteil stärkt Lebensschutz
Aus Twistringen zur bundesweiten Förderrichtlinie
Leipzig/Osnabrück - "Das ist eine schöne Sache, wenn man vor Gericht mehr erhält, als man erwartet hatte", sagt Werner Negwer und strahlt übers ganze Gesicht. Ein "unerwartet gutes Ergebnis" nennt der Justitiar des Diözesancaritasverbandes Osnabrück das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Danach muss der Staat die von ihm anerkannten Stellen zur Schwangerschaftskonfliktberatung zu mindestens 80 Prozent der Personal- und Sachkosten finanzieren
"Ein Glücksfall"
Ein Urteil, das für einen Moment sogar die Bischofskonferenz und den Verband katholischer Laien "Donum vitae" auf einen Nenner brachte. Beide begrüßten in Stellungnahmen den Spruch. Ein "Glücksfall" hieß es bei "Donum vitae", mittlerweile Träger von mehr als 100 Beratungsstellen bundesweit. Die Bischöfe lobten das Urteil, da damit die hohe Verantwortung des Staates für den Schutz des ungeborenen Lebens bestätigt werde. Ähnlich formulierte auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken seine "große Zustimmung". Schelte betrieb das Land Niedersachsen. Den Hinweis der Richter auf den im Gesetz vorgesehenen
Versorgungsschlüssel (eine Vollzeitstelle auf 40 000 Einwohner) kritisierte Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU). Schematisch Kapazitäten vorzuhalten gehe vielerorts einfach am Bedarf vorbei.
Geklagt hatte der Caritasverband für die Diözese Osnabrück, da das Land Niedersachsen seinen Antrag auf Bezuschussung der Beratungsstelle für Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung in Twistringen bei Bremen 1997 abgelehnt hatte. Damals war die Kirche noch in der Konfliktberatung, stellte Beratungsscheine aus. Statt der Übernahme der Hälfte der Kosten wollte das Land nur knapp neun Prozent zahlen. Schon das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ließ das nicht gelten, verpflichtete das Land auf Übernahme von 50 Prozent - vorbehaltlich verfügbarer Eigenmittel der Träger.
Eine pikante Note erhält der weitere Rechtsweg, da das Land Niedersachsen selbst die Revision anstrengte und nun noch 30 Prozent draufgesattelt bekam. Vom Vorbehalt bezüglich der Eigenmittel eines Trägers ist nun auch nichts mehr zu hören. Pikant ist das Urteil auch, da katholische Beratungsstellen aufgrund des Ausstiegs aus der Konfliktberatung vorerst nicht davon profitieren werden.
Das Träumen gelernt
Für Negwer steht fest, dass auf der Grundlage dieses Urteils nun auch die im Schwangerschaftskonfliktgesetz beschriebene allgemeine Schwangerenberatung ohne Beratungsnachweis Fördermittel erhalten muss. Das Verwaltungsgericht Braunschweig habe auf Klage des Caritasverbandes Hildesheim diesen Anspruch schon bestätigt. Nun habe erneut das Oberverwaltungsgericht Lüneburg das Wort. - Vielleicht gibt es ja wieder mehr, als man zu hoffen wagte.
Werner Negwer hat jedenfalls das Träumen gelernt: Eigentlich, so denkt er laut nach, dürfte sich die Kirche an keiner Stelle mehr mit niedrigen Fördermitteln zufrieden geben, wo sie Aufgaben übernehme, die ansonsten der Staat selbst ausführen müsste: in der Alten- und Behindertenhilfe, im Kinder- und Jugendhilfebereich sowie nicht zuletzt im Bildungsbereich...
Gerrit Schulte
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 11.07.2003