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Aus der Region

Gesundheitsreform muß armutsfest sein

Staat braucht Kriterien beim Sparen

Die Verhandlungsführer geben sich zuversichtlich. Für die angekündigte Jahrhundertreform im deutschen Gesundheitssystem konnten sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und der von CDU und CSU beauftragte Horst Seehofer nach schwierigen Beratungen auf gemeinsame Eckpunkte verständigen. Auch wenn beide Seiten sich als Gewinner geben, steht der Verlierer fest. Nachdem, was bisher bekannt geworden ist, sollen die Versicherten finanziell stärker in die Verantwortung genommen werden.

Die Eckpunkte ergeben noch kein vollständiges Gesetz, das vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden könnte. So fehlt bisher das Bekenntnis zu einem erkennbaren Umsteuerungsprozess mit dem Ziel eines dauerhaften und vor allem die Lasten gerecht verteilenden Finanzierungssystems. Dieser ist dringend notwendig, sollen Ausgaben langfristig gesenkt, Strukturen effizienter und die drängenden Finanzprobleme nicht nur kurzfristig gelöst werden.

In der aktuellen Diskussion über die Konsolidierung des Gesundheitssystems stehen bislang fast ausschließlich die Ausgaben im Vordergrund. Entscheidend ist aber auch die Einnahmepolitik. Die Erweiterung des Kreises der solidarisch Versicherten durch die Aufnahme von privat Versicherten in die Gesetzliche Krankenversicherung muss konsequent in Angriff genommen werden. Das Prinzip der Solidarität macht es außerdem unausweichlich, in die künftige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung auch weitere Einkommensarten wie Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung oder Verpachtung sowie den Produktionsfaktor Kapital einzubeziehen. Statt massiv Leistungen zu kürzen oder die bisherigen Beitragszahler immer stärker zu belasten, könnte eine Bürgerversicherung langfristig zu einer solidarischen Finanzierung aller Regelleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung beitragen und gleichzeitig Entsolidarisierungstendenzen in der Gesellschaft entgegenwirken.

Der Kompromiss zur Gesundheitsreform berücksichtigt bislang zuwenig die Armen und Familien mit geringem Einkommen. So sind die Vorschläge zur Neuordnung der Finanzierung nicht ausreichend sozial abgefedert. Neue Belastungen in Form von Zuzahlungen und die Herausnahme von Leistungen wie zum Beispiel den Zahnersatz werden die finanziellen Spielräume der jetzt schon Benachteiligten noch mehr einschränken. Für die Menschen mit niedrigem Einkommen müssen daher Sonderregelungen geschaffen werden.

Die Notwendigkeit der Reform im Gesundheitssystem ist unübersehbar. Langfristig können die staatlichen Systeme für ihre notwendigen Aufgaben nicht mehr Mittel verbrauchen als im wirtschaftlichen Prozess erarbeitet und zur Verfügung gestellt werden können. Dies bedeutet eine Überprüfung sämtlicher Aufgaben und Leistungen auf ihre Notwendigkeit und Finanzierbarkeit. Eine solche Prüfung braucht aber Kriterien, die nicht allein aus wirtschaftlichen Überlegungen abgeleitet werden dürfen.

Einen guten Maßstab bilden hier die in der katholischen Soziallehre verankerten Prinzipien von Personalität, Solidarität und Subsidiarität. Die Menschen werden aufgefordert, für das, was der Staat nicht mehr leisten kann, selber Sorge zu tragen. Der Ruf nach mehr Eigenverantwortung darf dabei nicht die übersehen, denen Eigenvorsorge nicht möglich ist. Es ist und bleibt die Aufgabe der Caritas und anderer Wohlfahrtsverbände deutlich zu machen, welche Unterstützungsleistungen die besonders Benachteiligten in unserer Gesellschaft brauchen und welche dieser Unterstützungen ohne staatliche Zuwendungen nicht mehr geleistet werden können. Die Gesundheitsreform muss armutsfest sein. Einkommensschwache Personen sowie chronisch kranke und behinderte Menschen dürfen nicht zusätzlich benachteiligt werden.

Dies ist für den katholischen Wohlfahrtsverband das entscheidende Kriterium für eine solidarische und die Lasten gerecht verteilende Gesundheitsreform.

Dorothee Bodewein,
Caritasverband für das Bistum Magdeburg

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 31 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 03.08.2003

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