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Aus der Region

Werden wir künftig besser gerüstet sein?

Eine Diskussion in Dresden über die Flut und ihre Folgen

Dresden (mh) -In Deutschland wird es künftig mehr extreme Wettersituationen geben. Als Folge der Klimaveränderungen werden die Sommer wärmer und trockener und die Gefahr von Starkniederschlägen nimmt zu. Die damit verbundenen Überschwemmungen werden allerdings in der Regel regional begrenzt bleiben und nicht die Ausmaße der Flutkatastrophe vom vergangenen Sommer annehmen. Diese Prognose machten Alfred Becker vom Potsdamer Institut für Klimaforschung und Michael Kinze, Präsident des sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie. Anlass war eine Podiumsdiskussion in Dresden "Ein Jahr nach der Flut".

Dass die Katastrophe noch nicht vergessen ist, davon zeugte der bis auf den letzten Platz gefüllt Saal im Hygiene-Museum. Werden wir künftig besser gerüstet sein? Das war die Frage des Abends. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) stellte dabei Eckpunkte eines neuen Hochwasserschutz-Gesetzes vor. Grundgedanke: Mehr Raum für die Flüsse, keine Siedlungen und kein Ackerbau in Überschwemmungsgebieten. Als "Grundirrtum" beschrieb er die Vorstellung der Menschen, die Flüsse bändigen zu können. Das haben die Flüsse selbst widerlegt. "Hochwasser gehört zur Natur", sagte Kinze. "Zur Katastrophe wird es an Orten, wo der Mensch eingegriffen hat." Ihm sei es beispielsweise unverständlich, wie es in Dresden ein geplantes Gewerbe- und Wohngebiet mit der Adresse "An der Flutrinne" geben könne.

Nicht immer könnten Siedlungen in Überschwemmungsgebieten zurückgebaut werden, wie in Dessau verteilt. Und nur ein einziges Mal wurde das Geschenk abgelehnt. Dass das Engagement von Kirche und Caritas nach der Flut die Beziehungen zu denen, die nicht zur Gemeinde gehören, grundlegend verändert hat, ist auch eine Erfahrung des katholischen Pfarrers von Meißen, Heinrich Bohaboj. "Jetzt gibt es eine ganz neue Nachbarschaft." Viele Vorurteile gegenüber Kirche und Caritas und viel Desinteresse seien verschwunden. Anders als in Dessau war in Meißen die katholische Gemeinde selbst schwer betroffen. Inzwischen sind viele Schäden beseitigt. Mit der Fertigstellung der Kirche wird es aber noch etwas dauern. Die Wiedereinweihung ist für den 19. Oktober geplant. Wenn die katholische Gemeinde dieses Ereignis feiert, dann sollen auch die neu gewonnenen Nachbarn eingeladen werden, genauso wie der vielen, die der Gemeinde geholfen haben. Von dem durch die Katastrophe gewachsenen Miteinander wird also manches erhalten bleiben. Hat das Hochwasser aber auch zu einem bewussteren Umgang der Menschen mit ihrer Umwelt geführt? Bohaboj ist skeptisch: "Ich glaube nicht, dass die Flut ein Achtungszeichen für alle war." Wenn er heute durch Meißen geht, fällt ihm schon wieder viel Gedankenlosigkeit in dieser Hinsicht auf. Der Dessauer Propst gesteht bei der Frage nach dem Umweltschutz, dass er selbst hin- und hergerissen ist. "Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust." Umweltschutz sei wichtig, aber auch die schwierige wirtschaftliche Situation müsse im Blick bleiben. Mancher verknüpfe mit einer besser schiffbaren, also begradigten Elbe beispielsweise die Hoffnung auf Arbeitsplätze. Als Pfarrer wolle er sich nicht auf die eine oder andere Seite stellen, sondern sich für einen offenen und fairen Umgang miteinander einsetzen. Für einen Punkt tritt er allerdings persönlich ein: Die Deiche, die den Ortsteil Waldersee schützen, müssen künftig ordentlicher und besser gepflegt werden. das etwa in Röderau-Süd bei Riesa der Fall ist. Für das tausendjährige Meißen gebe es keinen hundertprozentigen Schutz, sagte Klimaforscher Becker. "Es sei denn, man würde die Stadt abreißen und auf dem Berg neu errichten." Aber auch in solchen Städten sei besserer Hochwasserschutz möglich. Als Beispiel nannte Becker das regelmäßig vom Rhein überflutete Kochem. Hier haben die Einwohner ihre Häuser so eingerichtet, dass ein Hochwasser die untere Etage überfluten kann, ohne gleich verheerende Schäden anzurichten.

Lob gab es an diesem Abend für die Bundesregierung, die in Sachen Klimaschutz eine internationale Vorreiterrolle einnehme. Leider gebe es auch bedeutende Länder, "die das Problem nicht so sehen", meinte Becker, ohne die USA beim Namen zu nennen. Dass der Kampf gegen die Klimaveränderungen nicht sinnlos ist, darauf wies Kinze hin: Nachdem vor 30 Jahren die Produktion des Treibhausgases FCKW gestoppt worden sei, gebe es jetzt Hoffnung auf positive Auswirkungen für die Ozonschicht.

Deutliche Appelle gingen auch in Richtung jedes Einzelnen: Die Klimaveränderungen seien vor allem eine Folge des Energieverbrauchs. Zwar ließe sich die Erderwärmung nicht einfach stoppen, sagte Trittin, aber das politische Bemühen, sie so gering wie möglich zu halten, müsse von allen unterstützt werden. Trittin: "Das gelingt nur, wenn ich es nicht für ein Ideal halte, mit dem vierradgetriebenen Geländewagen am Samstagmorgen Brötchen zu holen".

Auch die massiven volkswirtschaftlichen Schäden einer solchen Katastrophe wie im vergangenen August wurden deutlich: Die Gesamtschadenssumme in Sachsen belaufe sich auf acht Milliarden Euro. Weltweit seien im vergangenen Jahr durch Naturkatastrophen Versicherungsschäden von 56 Milliarden USDollar entstanden -drei Milliar - den mehr als die Entwicklungshilfeausgaben aller Länder zusammen.

Für die deutschen Versicherer sei das Augusthochwasser mit 1,8 Milliarden Euro der größte Naturkatastrophen-Schadensfall gewesen, sagte Stefan Richer vom Gesamtverband der Versicherer. Dabei haben sie Glück gehabt, denn die Flut vom letzten Sommer sei ein 100-jähriges Hochwasser gewesen. Ein 200- jähriges Hochwasser würde -so haben die Versicherer ausgerechnet -Schäden von 15 Milliarden Euro verursachen. Richter: "Das könnten wir nicht bezahlen."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 33 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 18.08.2003

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