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Aus der Region

Ein Wunder und seine Folgen

Mühlberg gedachte der Errettung vor der Flutkatastophe im letzten Jahr

Ein Jahr danach: Über 500 Mühlberger und Gäste feierten im Hafen einen ökumenischen Gottesdienst.

Mühlberg (mh) -Der Mensch muss wieder einen partnerschaftlichen Umgang mit der Umwelt lernen. Und jeder Einzelne ist aufgefordert, die vielen kleinen Schritte, die dazu nötig sind, mitzugehen. So lässt sich die Botschaft zusammenfassen, die am letzten Sonntag von der kleinen brandenburgischen Stadt Mühlberg an der Elbe ausging. Anlass war die Feier des ersten Jahrestages der Errettung der Stadt vor der Hochwasserkatastrophe. Als am 17. August 2002 die Elbe mit 9,98 Meter ihren Höchststand erreicht hatte, drohte der Stadt, die vollständig evakuiert und von den Hilfskräften aufgegeben war, die Überflutung. Doch die Deiche hielten. Es geschah das, was das "Wunder von Mühlberg" genannt wird.

Bei der Feier am Sonntag ging es nicht nur um dankbaren Rückblick. "Uns ist es wichtig, danach zu fragen, was wir aus der Katastrophe für unseren Umgang mit der Umwelt lernen können", sagt Claretinerpater Ansgar Schmidt von der katholischen Pfarrgemeinde. Und weil in Mühlberg die Ökumene eine lange und gute Tradition hat, haben die katholischen und evangelischen Christen diese Frage in den Mittelpunkt ihres gemeinsamen Beitrages am Sonntag gestellt.

Beim ökumenischen Gottesdienst, zu dem sich rund 550 Menschen im Hafen an der Elbe versammelt hatten, wurden die vielfältigen Bedrohungen der Umwelt vor Augen gestellt: 700 Naturkatastrophen mit 11 000 Toten und einem Gesamtschaden von 70 Milliarden Euro gab es weltweit im Jahr 2002. "Wie lange aber hält der Schrecken an?", fragte der evangelische Bischof Axel Noack aus Magdeburg. Er warnte vor zwei Fluchtbewegungen: "Die einen wollen sein wie Gott und glauben, dass sie alles machen können. Die anderen halten sich für so klein, dass sie glauben, gar nichts tun zu können." Beides sei unchristlich, denn: "Der Mensch ist von Gott beauftragt, tätig zu sein. Dabei muss er aber seine Grenzen beachten", sagte Noack. Und Reinhold Pfafferodt, Generalvikar des Bistums Magdeburg, fragte angesichts der wachsenden Zahl extremer Wettersituationen: "Was wird passieren, wenn der Mensch nicht wieder Partner der Natur wird? Müssen wir nicht aussteigen aus dem gewohnten Boot unseres zerstörerischen Umgangs mit der Natur?"

Wie das konkret aussehen könnte, dazu sollte eine Diskussion in der Klosterkirche mit Umweltfachleuten, Behördenvertretern und Bischof Noack anregen. Dass sich eine der wichtigsten Konsequenzen der Flutkatastrophe mit der Forderung, den Flüssen mehr Raum zu geben, zusammenfassen lässt, war unstrittig. Anders war es dann bei der Frage, wie das praktisch aussehen soll und wie schnell Veränderungen stattfinden. "Wir stehen noch ganz am Anfang", sagte Ernst Dörfler vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Und Georg Rast, ebenfalls Umweltschützer, ergänzte: "Wir brauchen viele kleine Schritte, bei denen jeder Einzelne mitmachen muss. Und das vermissen wir." Die Rückgewinnung von Überflutungsflächen oder die Verbindung von Elbeschifffahrt und Hochwasserschutz -das sind Fragen für Experten. Doch Bischof Noack warnte davor, alles auf die Experten und die Verantwortlichen in Politik und Industrie abzuschieben. Mit Blick auf die Wirtschaft weitete er die Perspektive: "Wirtschaft -das sind wir alle. Warum verschwindet der kleine Dorfkonsum? Weil wir in die Stadt zum Aldi fahren. Und warum werden riesige Flächen der Autobahn geopfert? Weil wir Autofahren wollen." Also: Viele kleine Schritte in vielen Bereichen sind nötig. Jeder Einzelne muss sie mitgehen. "Dazu sollte diese Diskussion ermutigen", sagte die evangelische Pastorin Kerstin Höpner-Miech.

Ob die Erkenntnis in den Köpfen der Menschen angekommen ist, daran hat Pater Ansgar Zweifel. Nach der Katastrophe ist der Alltag eingekehrt und "das große Umdenken hat nicht stattgefunden. In Mühlberg diskutiert wird die Frage, wie man einen sicheren Deich bauen kann." Aber die Menschen haben Erfahrungen gemacht, hinter die sie jetzt nicht zurück können. Und vielleicht wird aus der von Pater Ansgar festgestellten größeren Sensibilität und dem Gefühl, dass es so nicht weitergehen kann, irgendwann doch ein Perspektivenwechsel.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 34 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 25.08.2003

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