Man -das bedeutet doch immer ich
Was hat sich -ein Jahr nach der Hochwasserkatastrophe -im Umgang mit der Umwelt verändert?
Die Menschen müssen mit ihrer Umwelt anders umgehen. Viel wurde davon nach der Hochwasser- Katastrophe des vergangenen Jahres gesprochen. Zwölf Monate später ist es Zeit für eine Bilanz. Der TAG DES HERRN sprach mit dem Umweltbeauftragten des Bistums Dresden-Meißen, Ulrich Clausen. Er ist auch der Verfasser der Tipps "Chancen für die Schöpfung".
Frage: Herr Clausen, wie steht es ein Jahr nach der Flut mit dem Achtungszeichen, das die Katastrophe im Hinblick auf den Umgang des Menschen mit der Umwelt gesetzt hat?
Clausen: Zum einen sind wir im Umgang mit der Umwelt sensibler geworden. Und wir haben die Sicherheit verloren, dass uns solche Schicksalsschläge nicht treffen könnten. Auf der anderen Seite aber ist der schnellen Betroffenheit der schnelle Übergang zum Alltag gefolgt. Mit Ausnahme der Institutionen, die sich mit Hochwasser- und Umweltschutz beschäftigen, sagen heute viele: Die Chancen für eine solche Katastrophe stehen eins zu 500. Uns wird es also wahrscheinlich nicht mehr treffen.
Frage: Und in diesen Tagen stöhnt Deutschland über die Jahrhunderthitze ...
Clausen: ... und man ist wieder etwas bereiter, über den Umgang mit der Umwelt zu sprechen. Als sich die Hitzephase abzeichnete, begann auch die Diskussion: Was ist eigentlich seit dem Hochwasser passiert? Natürlich spielt der Jahrestag eine Rolle, aber die Hitzeperiode macht einmal mehr deutlich: Es gibt keine Sicherheit. Frage: Und warum lernt der Mensch nicht endlich daraus? Clausen: Verbal tut er das ja: Wir sagen schnell, wir müssen umweltbewusster leben. Aber wenn es um meinen kleinen Beitrag geht, der mich natürlich Geld oder Bequemlichkeit kostet, dann heißt die Frage: Was bringt das schon? Und eigentlich ist alles gar nicht so schlimm ... Diesen Mechanismus müssen wir aufbrechen.
Frage: Wie?
Clausen: Hier sind die Verantwortlichen in Gesellschaft, Staat und Kirche gefragt. Sie müssen -so wie bei der Gesundheitsdebatte -der Gesellschaft die Wahrheit sagen. Aber Politiker handeln noch viel zu oft danach, was beim Wahlvolk gut ankommt. Nötig ist Überzeugungsarbeit und hier ist wieder jeder gefragt. Denn zu meinem persönlichen Beitrag für die Umwelt müssen Sachverstand und politisches Engagement dazu kommen. Natürlich kosten mich die Öko-Steuer und eine Senkung der Kilometerpauschale Geld. Aber statt populistisch dagegen zu wettern, habe ich die Pflicht zu fragen, was sachlich richtig ist. Und dann sollte ich auch mal meinem Arbeitskollegen sagen: Hör auf, populistisch zu argumentieren. Letztlich muss jeder Einzelne selbst aufbrechen, denn: Man -das bedeutet doch immer ich.
Frage: In den letzten Wochen ist im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz auch viel über die Arbeitsplätze der Elbeschiffer gesprochen worden. Gibt es einen Widerspruch zwischen Wirtschaft und Umweltschutz?
Clausen: Zuerst muss ich genau hinsehen: Um welche und wie viele Arbeitsplätze geht es? Gibt es Alternativen? Was bringt das System der Binnenschifffahrt? Ist der Schaden nicht größer als der Nutzen? Ich nenne das Stichwort: Kanalisierung. Wie viele Flüsse haben wir begradigt, wie viele Kanäle gebaut? Und was trägt sich davon jetzt wirtschaftlich? Das Geld hätte man auch verwenden könne, um den Arbeitgeberanteil bei den Sozialversicherungsabgaben zu senken und so neue Arbeitsplätze zu schaffen. Noch ein Punkt: Wer fragt, wie viele Arbeitsplätze im Osten Deutschlands verloren gehen, weil unsere Mobilität es ermöglicht, die Produkte von weither heranzufahren. Also: Wir müssen die verschiedenen Problemlagen unserer modernen Welt im Zusammenhang betrachten und versuchen Gleichheit und Gerechtigkeit herzustellen.
Frage: Die christliche Übersetzung von Umweltschutz ist die Bewahrung der Schöpfung, eines der Themen der Ökumenischen Versammlung. Zu den beiden anderen Themen -Frieden und Gerechtigkeit -meldet sich die katholische Kirche oft deutlich zu Wort. Die Schöpfungsbewahrung aber scheint eine untergeordnete Rolle zu spielen?
Clausen: Der Eindruck stimmt nicht. Wir haben uns sicher -zumindest in der Breitenwirkung -erst spät dem Thema gestellt. Vielleicht haben wir im Umgang mit der Schöpfung auch zu lange das Bebauen statt das Bewahren betont. Aber sowohl in päpstlichen Verlautbarungen wie in Hirtenbriefen der Bischöfe ist die Bewahrung der Schöpfung Thema. Das Problem liegt in der Umsetzung unseres Glauben in praktisches Tun. Zum Beispiel die Nächstenliebe: Wir sollen den Nächsten lieben und geben für die Obdachlosen oder die Asylbewerber unser Geld -aber direkt zu ihnen hin zu gehen, das sollen andere machen ... Die Christen werden künftig noch deutlicher zeigen müssen, was ihren Glauben ausmacht. Gibt es einen Unterschied zu den Nachbarn oder Arbeitskollegen? Das gilt genauso für den Umgang mit der Schöpfung. Ein Christ darf nicht sagen, die anderen machen das ja auch so. Die anderen haben halt den Glauben nicht, der einen Anspruch an mein Leben erhebt.
Frage: Sehen Sie denn ein solches Umdenken in den Gemeinden?
Clausen: Da bewegt sich etwas. Ein Beispiel ist die Solarenergie. Ich kenne viele Gemeinden, die vor vier oder fünf Jahren trotz finanzieller Förderung über eine Solaranlage gelächelt hätten: Diesen Quatsch machen wir nicht mit. Inzwischen wird bei kirchlichen Bauten in vieler Hinsicht über ökologische Fragen nachgedacht. Die Menschheit ist nicht so, dass sich innerhalb eines Jahres alles umkrempeln lässt. Das dauert seine Zeit. Deshalb bin ich aber gar nicht pessimistisch.
Fragen: Matthias Holluba
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 31.08.2003