Wort und Tat in Einklang
Gedanken von Pater Damian
An einem Montagmorgen besteigt ein Pfarrer den Bus, um in die Stadt zu fahren. Er reicht dem Busfahrer einen Geldschein und wartet auf das Wechselgeld. Auf dem Sitzplatz angekommen, zählt er das Geld nach und stellt fest, dass ihm der Busfahrer zu viel herausgegeben hat. Er bleibt sitzen und seine Gedanken machen sich an die Arbeit: Glücklicher Zufall, unwichtige Kleinigkeit oder ein Grund, ehrlich zu sein und dem Busfahrer das Geld zurückzugeben? Der Pfarrer findet manchen Grund, das Geld einfach zu behalten, aber schließlich siegt seine Gewissenhaftigkeit. Er steht auf, geht zum Busfahrer nach vorn und sagt: "Entschuldigen Sie, aber Sie haben mir zuviel Geld rausgegeben, als ich vorhin meine Fahrkarte bezahlt habe." Der Fahrer erwidert locker: "Ich weiß, ich war gestern in Ihrer Kirche und hörte Sie über die Gebote Gottes sprechen. Da wollte ich nur mal ausprobieren, ob Sie auch selber tun, was Sie anderen predigen!" Prüfung bestanden!
Nicht nur Prediger wissen: Ich bin nur glaubwürdig, wenn ich mich wenigstens bemühe, das auch selbst zu tun, was ich anderen als Weisung oder Ideal vorstelle. Vor allem Kinder spüren, ob die Eltern sich auch selbst in die Pflicht nehmen. Nun wissen wir aber: Wir alle sind schwache Menschen, machen Fehler und erreichen nicht den Standard, den wir für uns und andere festgelegt haben. Eltern und Lehrer, Priester und Vorgesetzte sind dennoch aufgerufen, immer wieder das Ideal verantwortlichen ethischen Handelns und die Weisungen der Bibel anderen vorzustellen. "Worte belehren, Beispiele reißen hin", weiß eine alte Redensart. Und im Jakobusbrief heißt es: "Hört das Wort nicht nur, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst" (Jak 1,22). Ich glaube, jeder, der andere lehrt und ihnen moralische Grundsätze vorstellt, muss wenigstens das von sich sagen können: "Schau, ich bemühe mich, aber ich bin nicht vollkommen. Ich kann nicht in allem dein Vorbild sein. Ich muss immer wieder umkehren zu Christus und mich von seiner Liebe und seiner Vergebung beschenken und ergreifen lassen. Was du von mir lernen kannst: Ich breche immer wieder auf."
Der heilige Paulus wagt es, die Philipper aufzufordern: "Ahmt auch ihr mich nach, Brüder, und achtet auf jene, die nach dem Vorbild leben, das ihr an uns habt" (Phil 3,17). Das ist nicht Hochmut, wenn Paulus sich als Vorbild hinstellt. Er fordert die Gemeinde nicht auf, ihn nachzuahmen, als ob er der Mittelpunkt sei, nachdem sich alles richten muss. Er bittet vielmehr die Philipper, mit ihm zusammen, der selbst noch unterwegs ist, nach dem gemeinsamen Ziel zu streben: "Eines tue ich: ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist" (Phil 3,13).
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 11.09.2003