Alte Freunde und neue Köpfe
CDU und SPD wollen ihre Beziehungen zhu den Kirchen neu organisieren
Die CDU betritt Neuland. Was die SPD 30 Jahre lang bereits hatte, soll es nun auch für die Partei mit dem "C" im Namen geben: einen eigenen Referenten für die Beziehungspflege zu den Kirchen. Darauf laufen Hinweise aus der Unionsspitze hinaus, auch wenn es eine offizielle Bestätigung für diesen Schritt noch nicht gibt. Und auch bei den Sozialdemokraten wird dieses Arbeitsfeld neu sortiert.
Noch ist nicht klar, ob der Kirchenreferent der Union in der Parteizentrale oder bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angesiedelt ist. Nach monatelangen Diskussionen zeichnet sich immerhin ab, dass ein Mitarbeiter für Fraktion und Partei gemeinsam die Beziehungspflege zu den Kirchen übernehmen wird. Und fest steht wohl auch, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dem kirchenpolitischen Sprecher und Bundestagsabgeordneten Hermann Kues zugeordnet sein wird. "Die Gefechtslage ist kompliziert", sagte Kues auf Nachfrage und deutet damit an, wie schwer die Union sich noch mit diesem Schritt tut. Einen "Katholischen Arbeitskreis" aber, der parallel zum bestehenden "Evangelischen Arbeitskreis" innerhalb der CDU wirke, solle es nicht geben, sagte Kues, so etwas wäre "ausgrenzend", da seien sich alle einig.
Die SPD hatte 30 Jahre lang mit Burkhard Reichert einen "Beauftragten" für die Kontakte zu den Kirchen. Nach dessen Tod Anfang des Jahres war zunächst unklar, ob die Stelle bestehen bleiben würde. Reichert, der mit seiner Person für eine Aussöhnung von Sozialdemokratie und vor allem der katholischen Kirche stand, schien unersetzbar. Außerdem schien sich die Situation grundlegend verändert zu haben. Die Zeiten einer Funkstille zwischen Bischöfen und Bundeskanzler, wie noch zu Zeiten von Willy Brandt zeitweilig vorherrschend, sind längst überwunden.
Dennoch hat sich die SPD zur Fortsetzung des "Modells Reichert" durchgerungen. Mit Dagmar Mensink wird wieder, wie bei Reichert, eine Mitarbeiterin einer Katholischen Akademie in die Parteizentrale geholt, bestätigte SPD-Sprecher Bernd Neuendorf jetzt dieser Zeitung. Die Partei hat sich damit für eine externe Bewerberin entschieden und die durchaus vorhandenen internen Kandidaten abgelehnt. Ganz anders als bei der CDU muss man bei der SPD eben eher "die Kirche ins Haus" holen, um eine Beziehung aufzubauen. Früher war es wie beim bekannten Hase- und-Igel-Spiel. Wenn die SPD oder die Grünen bei den Kirchen anklopften, dann war die CDU schon längst da. Das "C" im Namen war noch ein Symbol einer geborenen Nähe zu den verfassten christlichen Kirchen, besonders zur katholischen. Das war der rheinischen Republik sozusagen in die Wiege gelegt. Und es war gar nicht nur die inhaltliche und ideologische Übereinstimmung in allen Themen, es war eine Nähe, die schlicht durch die Menschen entstand.
Die Politiker der CDU hatten sehr oft einfach eine kirchlich-christliche Kinderstube und noch wichtiger: Sie hatten sich in der kirchlichen Jugendarbeit, in den Gemeinden oder Verbänden engagiert. Kurz: CDU und Kirche gehörten zusammen. Da brauchte man keinen Diplomaten, wie die SPD mit Burkhard Reichert, der das Eis zwischen den "Sozis" und den "Pfaffen" brechen half. Doch heute ist das alles etwas anders. "Die Selbstverständlichkeiten gibt es nicht mehr", sagt Hermann Kues. Noch sei die Verwobenheit zwischen vielen CDU-Politikern und kirchlichen Strukturen zwar eng. Mit Annette Schavan ist eine ZdK-Vizepräsidentin auch stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende.
Doch das Netz bekommt Löcher. Einige Fäden drohen schon zu reißen. Der Kontakt zu den kirchlichen Verbänden etwa ist längst nicht mehr so eng. Früher saß mit Heinz Schemken der Kolping-Bundesvorsitzende im Bundestag, doch der ist im vergangenen Jahr ausgeschieden. Beim BDKJ ist zwar mit dem Neuling Jens Spahn ein Kreisvorsitzender im Parlament, doch das ist eine dünne Basis. Der Besuch der Bundesvorsitzenden Angela Merkel beim Papst ist da für einige schon das Zeichen eines Neuanfangs in der Beziehungspflege.
Auch inhaltlich läuft zwischen CDU und Kirche nicht mehr alles so rund. In der Zuwanderungsdiskussion gibt es kaum Einigung, da werden die Töne zwischen den einstigen Freunden auch schon mal schärfer. Auch bei der Irak-Frage oder der Diskussion um die Gleichstellung von Homosexuellen wollen sich katholische Politiker nicht ihre Haltung von Bischöfen diktieren lassen. Da soll der neue Kirchenreferent wieder für Harmonie sorgen. "Wir brauchen natürlich keinen Burkard Reichert", sagt Kues. Eher einen Organisator, der für mehr Begegnung zwischen den alten Freunden sorgt, damit diese wieder zusammenfinden. Denn es gibt sie noch, die "große Nähe", weiß Kues, ein Beispiel sei die Familienpolitik. Eine "Äquidistanz der Kirchen", die sich mit allen Parteien gleich gut oder schlecht versteht, dürfe es nicht geben. Dazu sei die CDU noch immer zu stark mit der Kirche verwoben.
Die SPD hingegen nutzt die Veränderungen für sich. Prinzipiell reden die Kirchen natürlich mit allen Parteien und besonders mit der Regierung. Und so hat die SPD, auch wenn sie nicht so kirchlich verbunden ist, doch mehr und mehr mit der Kirche zu tun und sogar in einigen Positionen Gemeinsamkeiten. Auf der politischen Ebene war bis vor einem Jahr Herta Däubler-Gmelin als stellvertretende Vorsitzende auf Kirchenfragen abonniert. Nach ihrem Ausscheiden gab es keinen Nachfolger. "Ohne förmlichen Beschluss", wie Parteisprecher Bernd Neuendorf auf Nachfrage erklärte, seien Bundestagspräsident Wolfgang Thierse für die katholische und Bundesfamilienministerin Renate Schmidt für die evangelische Seite in die Aufgabe der kirchenpolitischen Sprecher auf Parteiebene hineingewachsen. Doch, wie zu hören ist, will Thierse diese Aufgabe nach dem Parteitag im November nicht offiziell übernehmen. Ob Renate Schmidt das macht, steht noch nicht fest. Klar ist aber, dass dann die neue Kirchenreferentin Dagmar Mensink schon da ist und die Genossen mit kirchlichen Denkweisen vertraut machen kann.
Volker Resing
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 11.09.2003