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Aus der Region

Türkei auf dem Weg nach Europa?

Bischofskonferenz diskutiert Europa

Brüssel -Während in Deutschland um die Rolle der Türkei in Europa gestritten wird ist Jesuitenpater Felix Körner weit weg und zugleich ganz nah dran. Sein Wohnort ist die türkische Hauptstadt Ankara. Der Islamwissenschaftler unterstützt den Wunsch seines Gastlandes um Aufnahme in die Europäische Union (EU): "Ich glaube, dass der Beitritt der Türkei zur EU nicht nur für die Türkei -das sieht ja fast jeder -sondern auch für Europa spannend und wichtig wäre. Man kann seine christliche Identität nämlich nicht dadurch zeigen, dass man die, die anders gelagert sind, ausschließt, sondern nur dadurch, dass ich sage: Herzlich willkommen! Wir bauen miteinander ein auch im Glauben geprägtes -da haben die Muslime übrigens sehr viel Interessantes beizutragen -Europa, das sich auf seine Toleranz, die ja letztlich doch im Christentum fundiert ist, berufen kann".

Diese Meinung wird in der katholischen Kirche nicht überall geteilt: In Brüssel am Sitz der EU beschäftigt sich im Büro der katholischen Bischöfe (Comece) Pater Hans Vöcking beruflich mit der Rolle des Islams in Europa. Der Ordensmann der "Weißen Väter" mit Algerien-Erfahrung steht einer Aufnahme der Türkei in die EU skeptisch gegenüber: "Die Politik muss erst einmal festlegen, was Europa eigentlich ist." Entscheidet allein die Landkarte über eine Zugehörigkeit oder spielt auch die kulturelle Identität Europas eine Rolle? Vöcking selbst zieht den Kulturbegriff vor und zählt das Christentum zu den wichtigen Wurzeln dieser europäischen Kultur. Schon jetzt tue sich die EU in der Diskussion um eine künftige Verfassung schwer mit ihrem christlichen Erbe. Ein islamisch geprägtes Land wie die Türkei, so vermutet Pater Vöcking, könnte die EU vollends überfordern. Die Türkei als ein junges Land mit schnell wachsender Menschenzahl sei -die Aufnahme in die EU vorausgesetzt -bereits in zehn bis 15 Jahren das bevölkerungsreichste Land in der Union. Norbert Lammert, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vizepräsident des Bundestages hegt die gleichen Bedenken. "Wir müssen tragbare Rahmenbedingungen für eine gute Zusammenarbeit suchen, die aber nicht in einer EU-Vollmitgliedschaft liegen", sagt Lammert.

Ende 2004 muss die EU-Kommission ihren Bericht zum Aufnahmeantrag der Türkei vorlegen. Bereits in einer Woche wird die Deutsche Bischofskonferenz während ihrer Herbstvollversammlung über den europäischen Einigungsprozess diskutieren. Auch hier wird die Türkei sicherlich eine Rolle spielen. Einer der wichtigsten Punkte ist dabei die immer noch mangelnde Religionsfreiheit in der Türkei. Schon 2002 hat deshalb das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eine Aufnahme der Türkei in die EU abgelehnt.

Etwa 2,5 Millionen Einwanderer aus der Türkei leben in Deutschland. Mindestens 300 000 haben einen deutschen Pass und sind wahlberechtigt. Auch das beschäftigt die politischen Parteien. Während die SPD die EU-Aufnahme unterstützt und auf "türkische" Stimmen setzt, verzichten CDU/CSU mit ihrer Ablehnung auf entsprechende Wählerstimmen. Ein Fehler? "Unionswähler und viele Muslime haben mehr Gemeinsamkeiten, als beide Gruppen realisieren, vor allem wenn es um konservative Familienwerte geht", sagte jüngst der Grünen-Politiker Cem Özdemir.

Bernhard Remmers

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 11.09.2003

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