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Aus der Region

Pfarrer, Therapeut, Wanderprediger

Die ARD erzählt in ihrem Film "Mannsbilder" den Lebensweg einstiger Priesteramtskandidaten

Erfurt -Die Studentenzeit prägt das Leben. Und viele von denen, die einmal gemeinsam den Hörsaal besucht und auch manches Glas Bier geleert haben, bleiben mehr oder weniger miteinander verbunden, ein Leben lang. Von Zeit zu Zeit nimmt dann einer die Mühe auf sich und lädt alle zu einem Wiedersehenstreffen ein.

Eine solche Begegnung ehemaliger Theologiestudenten fand am 29. / 30. August im Priesterseminar Erfurt statt. Dass dieses Treffen zustande kam, lag jedoch nicht zuerst am Wunsch, einan-der wiederzusehen. Ein Fernsehteam wollte im Nachklang zum 50. Geburtstag der Erfurter Priesterausbildung im Jahr 2002 einen Film über einen ehemaligen Theologenkurs drehen und darin den Werdegang von drei der einstigen Priesteramtskandidaten nachzeichnen. Der Titel stand bereits fest: "Mannsbilder".

Von 42 jungen Männern, die im Herbstsemester 1985 das Theologiestudium begannen, folgten 28 der Einladung in die Thüringer Bischofsstadt. Unter ihnen auch diejenigen, die sich die Fernseh-Produktionsfirma unter Leitung von Autorin Elke Thiele für den Film ausgesucht hatte.

Dabei orientierten sich die Fernsehleute am Eins-zu-Zwei-Verhältnis der tatsächlich Priester gewordenen einstigen Studenten zu denen, die einen anderen Weg eingeschlagen haben. Im Film werden deshalb mit Günter Christoph Haase ein Pfarrer, mit Wolfgang Runge ein Therapeut und Psychologe und mit Bruder Winfried ein Wanderprediger vorgestellt.

17 der Studienanfänger haben sich zum Priester weihen lassen, 15 von ihnen sind heute im Dienst in den unterschiedlichsten Gemeinden zwischen Ostsee und Erzgebirge, zwei haben ihren priesterlichen Dienst wieder aufgegeben. Die übrigen 25 der ursprünglich 42 Kommilitonen haben ganz unterschiedliche Wege genommen: Einige brachen schon während des Stu- diums ihre Ausbildung ab. Von ihnen hätte der eine oder andere gern das theologische Examen abgelegt, dies war während der DDR-Zeit in Erfurt bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht möglich. Manche von denen, die die theologische Abschlussprüfung bestanden und dann als Priesteramtskandidaten ausschieden, hätten gern im seelsorglichen Gemeindedienst gearbeitet -es war kaum eine Anstellung dafür zu bekommen.

Einige der ehemaligen Theologiestudenten sind heute in Sozialberufen tätig, als Heilpädagoge zum Beispiel oder als Pfleger auf einer Intensivstation. Sie haben damit einen Berufsweg eingeschlagen, der den Priesteramtskandidaten, die zu DDR-Zeiten aufhörten, am ehesten offen stand. Einzelne mussten nach ihrem Weggang aus Erfurt Spießruten laufen, fanden wochenlang "dank Staatsicherheitsdienst" keine Stelle, wie einer der Ehemaligen berichtete. Ein anderer, damals bereits gelernter Baufacharbeiter, kann sich an seine Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Theologiestudium nur sarkastisch erinnern: "Ich war der Baubudenrülps", also wirklich der und das Letzte auf der Baustelle.

Da der Kurs zu Weihnachten 1989 Examen machte, eröffneten sich mit der Wende Chancen, die den ausgeschiedenen Priesteramtskandidaten der Jahrzehnte zuvor in der DDR nie und nimmer offen standen. So ist das Spektrum der Berufe heute breit: Es reicht vom promovierten Mitarbeiter im katholischen Liturgischen Institut in Trier oder vom Referenten beim Dresdner Oberbürgermeister über die Tätigkeit als Privatdozent für Musik bis hin zum Inhaber einer eigenen Firma für technische Gutachten.

Was denn beim Einzelnen aus der einstigen Berufung, Seelsorger werden und Christus nachfolgen zu wollen, geworden ist -auch dieser Frage stellte sich der Kurs beim Wiedersehenstreffen. Die Antworten fielen sehr unterschiedlich aus: Einige sind ganz auf Distanz zur Kirche gegangen, können kein Gotteshaus mehr betreten. Andere engagieren sich in ihrer Pfarrgemeinde, erziehen ihre Kinder christlich. Mancher steht nach Kräften treu zu Christus und zur Kirche, ist aber über manches, was die offizielle Kirche sagt und tut, sehr traurig.

Die einen haben heute Familie, andere sind in ihrer eingegangenen Partnerschaft gescheitert. Ein ehemaliger Kommilitone lebt in einer dauerhaften gleichgeschlechtlichen Beziehung. Der Schritt, sich auf den Weg zum Priesterberuf zu machen, ist eben sehr existentiell: Er verbindet aufs Engste den persönlichen Glauben mit dem Beruf und fordert zugleich die ehelose Lebensweise. Deshalb geht die berufliche Ausbildung und die am Ende stehende Entscheidung für oder gegen den Beruf so manchem wirklich an die Existenz -und es erwachsen unterschiedlichste Lebenswege.

Genau das wird auch im Fernsehbeitrag deutlich: Wolfgang Runge zum Beispiel lebt heute in Berlin. Nach der Wende studierte er Psychologie und absolvierte eine Ausbildung zum Therapeuten. Heute unterhält er eine eigene Praxis. Um seinen Klienten seelisch zu helfen, lässt er sie schon mal in eines ihrer vorherigen Leben zurückschauen oder sich mit ihren verstorbenen Verwandten unterhalten. Der Kirche steht er in mancherlei Hinsicht kritisch gegenüber.

Anders sein einstiger Kommilitone Günter Christoph Haase. Er ist ein heutiger klassischer Eichsfeldpfarrer. Zuständig für drei ländliche Pfarreien in Geisleden, Heuthen und Finsberg, wo 90 Prozent der Bevölkerung auf dem Papier katholisch getauft sind, hat er in der Woche zahlreiche Gottesdienste, Taufen und Beerdigungen zu halten, für die Gemeindemitglieder dazusein und bei Veranstaltungen die Kirche zu repräsentieren. Er fühlt sich wohl in seiner Aufgabe.

Auch Bruder Winfried -mit Taufnamen Markus Palissa -steht der Kirche sehr nahe, wie er sagt. Weil er als Seelsorger nicht Auto fahren wollte, bekam er Ärger mit seinem Bischof. So entschied er sich, Franziskaner zu werden. Doch deren Lebensweise war ihm nicht radikal genug. Heute zieht er als Nichtsesshafter durch Deutschland, sucht den Kontakt zu den Ärmsten, übernachtet in Obdachlosenheimen, bittet Menschen um das lebensnotwendige Brot. Und versucht, den Menschen, denen er so begegnet, Hoffnung zu machen und vom Evangelium zu erzählen.

Eckhard Pohl

Der unter dem Titel "Mannsbilder. Leben nach dem Priesterseminar" entstandene 30-minütige Film ist an diesem Sonntag, 21. September, um 16.45 Uhr in der ARD und am 23. Oktober um 22.35 Uhr im MDR zu sehen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 17.09.2003

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