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Auf zwei Minuten

Setze das Werk fort

Der Mensch ist von Gott zur Arbeit an der noch nicht fertigen Schöpfung bestellt.

Pater Damian

"Ein Wort des Sohar (Hauptwerk der Kabbala): Am sechsten Tage, als Gott den Menschen erschaffen hatte, sprach er: ‚Bis hierher reicht mein Werk, jetzt ist es an dir, es fortzusetzen.' Eine chassidische Geschichte: Ein Schüler machte vor dem Rabbi Menachem Mendel von Kotzk die Bemerkung: ‚Gott, der vollkommen ist, hat in sechs Tagen die Welt, die man wohl kaum vollkommen nennen kann, geschaffen. Wie ist das möglich?' -‚Würdest du es besser machen?' -‚Ich denke schon', stammelte der Schüler, ohne zu wissen, was er sagte. ‚Du würdest es besser machen?', rief der Meister aus. ‚Aber worauf wartest du dann? Du hast keinen Augenblick zu verlieren, geh und mache dich an die Arbeit!'" (Elie Wiesel). Was Rabbi Mendel seinem Schüler aufträgt, ist nichts anderes als der biblische Schöpfungsauftrag (Gen 1,28). Die Menschen sind als Abbild Gottes aufgerufen, die Erde anzufüllen, sie sich zu unterwerfen, über alle Lebewesen zu herrschen. Was man heute besonders betonen muss: Diese "Herrschaft" bedeutet nicht nur Benutzung der Mitgeschöpfe zum Zweck von Kulturschaffen und Kulturgenuss, nicht rücksichtslose Ausbeutung, sondern das Verhalten eines guten Hirten ihnen gegenüber. Der Mensch ist von Gott zur Arbeit an der noch nicht fertigen Schöpfung bestellt; er ist nicht nur geschaffen, Gott zu lieben und die Wahrheit zu erkennen. Er muss die Welt verändern. Er kann sie nicht in Ruhe lassen, denn Gott hat ihn auf sie ausgerichtet.

Die Arbeit des Menschen - jegliche Arbeit -erhält einen theologischen Aspekt, sie ist Gottes Mandat an den Menschen. Die Arbeit ist Bestandteil des Menschseins. Alle sinnvolle Arbeit des Menschen ist Kulturschaffen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat 1965 in einem längeren Dokument an verschiedenen Stellen sehr deutlich die Bedeutung des kulturellen Schaffens herausgestellt: "Eines steht für die Glaubenden fest: Das persönliche und gemeinsame menschliche Schaffen, dieses gewaltige Bemühen der Menschen im Lauf der Jahrhunderte, ihre Lebensbedingungen stets zu verbessern, entspricht als solches der Absicht Gottes ... Das gilt auch für das gewöhnliche alltägliche Tun; denn Männer und Frauen, die etwa beim Erwerb des Lebensunterhaltes für sich und die Familie, ihre Tätigkeit so ausüben, dass sie ein entsprechender Dienst für die Gemeinschaft ist, dürfen überzeugt sein, dass sie durch ihre Arbeit das Werk des Schöpfers weiterentwickeln" (Gaudium et Spes 34).

Wenn ich die "Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit" genieße, wenn ich die modernen Verkehrsmittel benutze, wenn ich telefoniere oder mit dem Computer arbeite, habe ich Anlass, Gott zu danken für seinen Schöpfungsauftrag an uns Menschen und meinen Mitmenschen dankbar zu sein für ihren Beitrag.

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 40 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 07.10.2003

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