Gleicher Lohn für ungleiche Arbeit ?
Eine Reihe zur ethischen Diskussion: Was sagt die Bibel zur Arbeit?
Das Thema Arbeit und Arbeitslosigkeit sowie die Frage nach gerechtem Lohn für Erwerbsarbeit berühren nicht nur politische, sondern ethische Fragen. Grund genug, dass sich auch die beiden großen Volkskirchen mit dem Thema beschäftigen. Im Auftrag der evangelischen Kirchenzeitungen von Sachsen, der Kirchenprovinz Sachsen, Anhalt und Thüringen und der katholischen Wochenzeitung TAG DES HERRN hat Werner Schmiedecke, Initiator des bundesweiten ökumenischen Netzwerkes "Christen streiten für gerechtere Verteilung von Erwerbsarbeit" zusammengestellt, was die Kirchen zum Thema zu sagen haben. Im ersten Teil geht es um die Grundlage für diese Äußerungen: Was sagt die Bibel zum Thema Arbeit?
Zur Einstimmung eine Geschichte, die wir alle kennen (leicht komprimiert nach Mt 20,1-14): Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder auf den Markt und sah andere dastehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: Geht auch ihr hin in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Ebenso geschah es zur sechsten und neunten Stunde. Als er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, die dort herumstanden. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben..
Auch diese schickte er in den Weinberg. Bei der Auszahlung am Abend erhielten alle, dabei die Letzten zuerst, ihren Denar. Das gab Ärger, denn die Ersten meinten, sie würden mehr erhalten: Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren. Da erwiderte er einem von ihnen: Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem Letzten ebenso viel geben wie dir.
Befremdlich -nicht wahr? Nur vordergründig geht es in diesem Gleichnis um Verteilung, im tieferen Sinn aber um die Gerechtigkeit, die für Jesus mit der Herrschaft Gottes ("Himmelreich") verbunden ist. Denn der Lohn entsprach dem Tagesbedarf einer Familie. Das ist ein Beispiel für eine sehr gerechte Verteilung der Ergebnisse der Arbeit. Die heutigen Defizite kennt jeder.
Recherchiert man in der Bibel nach Arbeit, so fällt das Ergebnis -gemessen an der Dicke des Buches -eher mager aus. Während es zum Beispiel zum Stichwort Gerechtigkeit weit über hundert Referenzen gibt, tauchen Bezüge zur Arbeit nur rund 25 Mal auf. Dass es so wenig sind, liegt wahrscheinlich daran, dass Arbeit schon für den Menschen der Bibel selbstverständlicher Teil des Lebensumfeldes war. Last und Lust, beides wird widergespiegelt: "Unter Mühsal wirst du von ihm (deinem Acker) essen ... Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen" (Genesis 3,17-19). Und: "Unser Leben währt 70 Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es 80. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer" (Psalm 90,10).
Arbeit schafft auch Gemeinschaft -hier in der Negation: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen" (2. Thess. 3,10). Ja und natürlich kommt auch die Lohngerechtigkeit vor. Dafür mag stehen: " ... denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn" (Lk 10,7).
Das wurde aber offenbar nicht immer umgesetzt, daher die Drohung gegen gewisse damalige Arbeitgeber: "Aber der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt, schreit zum Himmel" (Jak 5,4).
Auffällig ist der mehrfache Verweis auf die strikte Arbeitsruhe am Sabbat (unter anderem Deuteronomium 5,12f). Bei Übertretung drohten harte Strafen (Exodus 31,14f).
Dass zur Zeit der Bibel Arbeitslosigkeit nicht ungewöhnlich war, belegt eine wie selbstverständliche Bemerkung aus dem Eingangsgleichnis: Auch am Nachmittag gab es noch Arbeiter, die weder Arbeit noch Verdienst gefunden hatten. Dagegen kann glücklich sein, wer Arbeit hat: "Was deine Hände erwarben, kannst du genießen; wohl dir, es wird dir gut ergehn" (Ps 128,2).
Zusammenfassend lässt sich sagen: Es geht in der Bibel nicht um die Arbeit an sich, sondern viel mehr um den Aspekt der Gerechtigkeit, auch wenn dieser nur beim gerechten Lohn direkt angesprochen wird. Wie sich die Kirchen im Laufe der Zeiten zu Arbeitsfragen äußern, trägt denn auch mehr dem Rechnung, was die Bibel zu gerechten Beziehungen meint.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Montag, 20.10.2003