Von den Armen lernen
Monat der Weltmission informierte über die Kirche auf den Philippinen
Mühlhausen -Für manche Christen in Deutschland besteht die größte Herausforderung ihres Glaubens darin, am Sonntagmorgen in die Kirche zu gehen. Auf den Philippinen kann der religiöse Einsatz lebensbedrohlich sein. Davon erzählte Pura Somangil, die anlässlich des Weltmissionstages im Bistum Erfurt zu Gast war. Das asiatische Land war das Schwerpunktthema der diesjährigen Missio- Aktion, die am vergangenen Sonntag zu Ende ging. Höhepunkt der Reise von Frau Somangil durch Deutschland war ein Besuch bei Bischof Joachim Wanke am 18. Oktober.
Katholische Gottesdienste in Deutschland wirken für Pura Somangil teilweise fremd, obwohl sie der gleichen Religion angehört. Auf den Philippinen finden die Treffen in einfachen Hütten statt in großen Kirchen statt. Die Liturgie wird auf vertraute Melodien gesungen, Tänze und Gospels sind dabei.
Die Bibel gibt Mut, gegen Missstände zu kämpfen
Aber ebenso wie hier gilt die Bibel als Grundlage, "daraus ziehen wir Kraft und Inspiration für unsere Arbeit", erzählt die Besucherin. Ihr christlich motivierter Einsatz in der Organisation "Besorgte Bürger von Abra für eine gute Regierung" ist anstrengend und frustrierend. "Wenn der Mut nachlässt, greifen wir auf die Bibel zurück, um uns zu stärken."
Frau Somangil hilft mit, dass Korruption und Ungerechtigkeit bekämpft werden. "Wir wollen erreichen, dass sich die Regierung um die Belange der Bürger kümmert." Da Missstände aufgedeckt und über die Medien öffentlich gemacht werden, ist diese Arbeit lebensgefährlich. "They kill you (Sie töten dich)", sagt Pura Somangil auf die Frage nach den Gefahren. Mord und Verfolgung drohen, oder die Beschuldigten versuchen, durch Bestechen Stillschweigen zu erzwingen.
In solchen Fällen nicht zugreifen, sondern ehrlich und verantwortlich handeln -dieses Motto will die Organisation auch den Bürgern vermitteln. Sie sollen dafür sensibilisiert werden, dass eigenes Engagement dem Gemeinwohl zugute kommt. "Aus christlicher Motivation heraus zeigen wir, wie Ideale gelebt werden. Ein wichtiges Ziel seien faire und freie Wahlen sowie mehr Transparenz bei staatlichen Behörden.
In dem Entwicklungsland gibt es viele weitere Missstände, sagt Pura Somangil. Größtenteils wird es von Landwirten und Fischern bewohnt, die sehr arm sind und in die Städte flüchten. Doch auch dort finden sie keine Arbeit und müssen auf den "smoky mountains" leben -von und in den Müllbergen. Das Land ist politisch instabil, da die Rebellen von der "New peoples army" viel Einfluss haben. Auch der Sextourismus ist ein Problem, teilweise wird er von der westlichen Welt aus organisiert, im Internet können Angebote gebucht werden. Oft sind Kinder betroffen, erzählt Pura Somangil, viele erkranken an Aids und sind lebenslang traumatisiert. Ihr Leben lässt die Menschen zur Prostitution flüchten. "Ohne Armut gebe es dieses Problem nicht", sagt die Philippinerin. Auch bei der Korruption gibt es ihrer Meinung nach westliche Beteiligte, so soll die deutsche Fraport-AG am Bau des neuen Flughafens in Manila beteiligt sein, bei dem ein Teil der Gelder "in private Taschen fließt". Zudem ist das Land beim Handel stark vom Westen abhängig, sagt Pura Somangil. Amerika bestimmt den Zuckerpreis, ein fairer Handel ist nicht möglich.
Unterstützung durch katholische Hilfswerke
Die Arbeit ihrer Organisation wird von Missio unterstützt, vor allem in der Seelsorge für die Urbevölkerung und dem Einsatz für Umweltschutz, Frieden und Gerechtigkeit. Von einer weiteren internationalen Organisation erhielt sie Preise für hervorragende Leistungen beim Aufdecken von Korruption. Und das Hilfswerk Misereor hat beispielsweise Bewässerungssysteme finanziert, so dass die Landwirte dreimal statt nur einmal im Jahr ernten können.
Welche weiteren Hilfen erhofft sie aus Deutschland? "Wir wünschen, dass die Menschen bei uns würdig leben und sich frei entwickeln können", sagt die engagierte Christin. "Und dass man auch unsere eigenen Bemühungen um Entwicklung anerkennt."
Rudolf Höhne, Diözesanreferent von Missio für das Bistum Erfurt, verweist weiterhin auf die Schutzengel-Aktion, bei der an öffentlichen Stellen Mahnmale unter dem Motto "Gesicht zeigen" mit 200 000 Porträtfotos stehen. Sie sollen zeigen, wie entwürdigend es ist, wenn der Mensch zur Ware verkommt, auch Prominente sind beteiligt.
Weil Mission laut Missio keine Einbahnstraße sein soll, sondern eine "lebendige Beziehung von Menschen, die voneinander lernen, miteinander teilen und sich gegenseitig im Glauben stärken", versuchte Pura Somangil in Deutschland die spirituelle Kraft ihrer Kirche zu vermitteln. "Wir lernen durch unsere Gäste aus Asien, Afrika und Ozeanien, wie wir uns verändern können", sagt Rudolf Höhne. Er findet es toll, wie die Christen anderswo aus der Bibel heraus leben und konkret handeln.
Susanne Sobko
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.11.2003