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Auf zwei Minuten

Lob der Vergänglichkeit

Gerade die Unwiederholbarkeit und die Todesgrenze macht unser Leben kostbar.

Pater Damian

Dunkle und kalte Oktober- und Novembertage heben nicht gerade die Stimmung der Menschen. Die kahlen Laubbäume und die verwelkten Blumen des Sommers erinnern an die Vergänglichkeit und Hinfälligkeit allen Lebens. Der fröhliche Gesang der Vögel ist verstummt. Wehmut und Sehnsucht nach dem Sommer mag in den Herzen aufsteigen. Wer aber tiefer sieht, wer sein Leben als einmalige Gabe und Aufgabe annimmt, kann dem "Lob der Vergänglichkeit", einem Gedicht von Hans Leifheim (1897 bis 1947), zustimmen:

"So will ich dich preisen, Vergänglichkeit, die du / beherrschst die irdische Zeit, / die du das Leben inbrünstiger machst, die du auch / flammender mich entfachst, / kündend die Nimmerwiederkehr, kündend das eherne Nimmermehr. // ...Leben ist Sterben immerdar, aber einzig und wunderbar / jedes Geschehen dem Dunkel entbricht, jedes Leben / auffunkelt im Licht, / in der Einmaligkeit hochgeweiht, unversehrbar in / irdischer Zeit. // Dunkel liegt deine Zukunft verdeckt, Inbrunst sei dir / flammend geweckt, / nichts im Handeln eitel zu tun, nicht in der Träge / Schatten zu ruhn, / uns ist verliehen der Liebenden Kraft und des / Wahrhaftigen Leidenschaft. // ...Einmal der Mensch und nur einmal der Tag, denk es bei / jedem Herzensschlag, / nichts, was geschieht, wird nichtig gemacht, nichts, was / versäumt, wird später vollbracht, / jeder wahre sein heiliges Recht, jeder verbürge des / anderen Recht!"

Leifheim spricht über Leben und Sterben, wie es dem christlichen Verständnis entspricht. Jedes Leben ist einmalig, ist der Ernstfall, der nicht wiederholt werden kann. Der weit verbreiteten Idee von der Seelenwanderung oder Reinkarnation wird widersprochen. Gerade die Unwiederholbarkeit und die Todesgrenze macht unser Leben kostbar, gibt ihm Ernst und Würde. Man führt ein besseres Leben, wenn man ein Rendezvous mit dem Tod ausgemacht hat. Im Wissen um ein befristetes Leben leben und lieben wir intensiver, tiefer und leidenschaftlicher "inbrünstiger", wie der Dichter sagt.

Das Leben wird oberflächlich und träge, wenn der Tod verdrängt wird. Es verliert seine Richtung und den Sinn für letzte Verantwortung. "Das Bewusstsein unserer Sterblichkeit ist ein köstliches Geschenk, nicht die Sterblichkeit allein, die wir mit den Molchen teilen, sondern unser Bewusstsein davon; das macht unser Dasein erst menschlich, macht es zum Abenteuer und bewahrt uns vor der vollkommenen Langeweile der Götter ...Ich meine, nicht im Tod, sondern in der Flucht vor dem Tod -durch medizinisch-technologische Lebensverlängerung -kommen wir uns selbst abhanden" (Max Frisch).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 44 des 53. Jahrgangs (im Jahr 2003).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.11.2003

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